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Aus den Schützengräben!
Posted by: | CommentsIm Schweizer Medienportal medienwoche.ch fordert Journalist Ronnie Grob von Medienschaffenden, sich um jeden Preis von PR-Leuten und Lobbyisten fernzuhalten. In der Realität arbeiten die beiden Seiten pragmatisch zusammen: Die einen brauchen die Informationen, die anderen die Veröffentlichung. Die folgende Replik von Andreas Hugi ist am 6.11.13 auf medienwoche.ch publiziert worden.
Im Schweizer Medienportal medienwoche.ch beklagt Journalist Ronnie Grob, dass „immer ärmere und gestresstere Journalisten (…) unter dem Druck von immer besser ausgestatteten Kommunikationsabteilungen und Lobbyisten“ stünden. In 10 Thesen nagelt Grob die PR-Gilde an die Wand: Journalisten fühlen sich offenbar von PR-Leuten belästigt und obwohl es diese Branche eigentlich gar nicht bräuchte, gäbe es immer mehr davon. Immerhin trügen Journalisten eine Mitschuld an der „PR-Offensive“, weil sie von „Kommunikationsarbeitern“ gesteckte Stories, die für den Journalismus schädlich seien, verbreiten. Er kommt zum Schluss, dass man sehr gut Journalismus betreiben könne, ohne je mit Kommunikationsleuten zu kommunizieren. Die „Abwehrschild“-Haltung der PR-Leute sei zudem gänzlich unnötig, da wahre Journalisten keine Unwahrheiten verbreiten würden.
Dieser und ähnliche Beiträge lassen den Schluss zu, dass sich in der Medienbranche anscheinend eine Garde junger, enthusiastischer Journalisten etabliert, welche den Gang in die Schützengräben postuliert, auf dass die Journalisten, welche als Einzige in unserem Staatswesen nach dem Guten, Schönen und Wahren trachten, sich von böswilligen Verwedlern und Verhinderern abgrenzen können. Ich mach‘ mir die Welt, wie sie mir gefällt: Hier der here Journalist, der im Auftrag und auf der Seite des „Volkes“ und ohne Interessenbindungen das Dickicht auf der dunklen Seite der Macht durchforstet. Auf der anderen Seite der bezahlte Informationsverwedler und Journalismus-Verhinderer. Einerseits bewundere ich dieses kompromisslose Berufsverständnis, anderseits würde ich mir als Kommunikationsberater nie anmassen, im Namen einer ungefragten und schweigenden Mehrheit zu sprechen: Ich spreche und handle für eine Interessengruppe, für ein Partikularinteresse oder für eine Unternehmung. Aber das transparent und offen.
So wie es auf Seiten der PR-Branche Verhinderer und Verwedler gibt, gibt es bei den Journalisten primeurhungrige Zuspitzer, Stümper und Falschspieler. Keine Branche ohne schwarze Schafe. Die negativen Beispiele auf beiden Seiten dürften sich die Waage halten. Aber die Welt ausserhalb der Schützengräben ist unaufgeregter, als es Ronnie Grob wahrhaben will: Die grosse Mehrheit der Interaktionen zwischen Journalisten und ihren Gegenüber laufen einigermassen fair und auf der Basis des Gebens und Nehmens ab: Die einen brauchen die Informationen, die anderen die Veröffentlichung. In unserer arbeitsteiligen Gesellschaft darf ein Journalist lediglich nicht beleidigt sein, wenn er nicht jedes Mal direkt mit dem Präsidenten oder dem CEO sprechen kann, sondern ab und zu auch mit dem PR-Verantwortlichen vorlieb nehmen muss.
Eine enge „Partnerschaft“ zwischen Journalisten und Kommunikationsleuten herbeizureden, wie es bisweilen in unserer Branche geschieht, ist natürlich Mumpitz: Ein konstruktives Geben und Nehmen und damit eine professionelle Zusammenarbeit basiert auf einer gegenseitigen, kritischen Distanz. Und wenn diese kritische Distanz auch in der kleinräumigen Schweiz gewahrt werden kann, erübrigt es sich, in die Schützengräben zu steigen.
Nachwort:
Kurz nach der gestrigen Lektüre der Grobschen Thesen erreichten mich zwei Medienanfragen: Ein Interview zum Wert der Netzwerke in der Politik und eine Frage zur besseren Vermarktung Zwinglis in der Stadt Zürich (sic!). Natürlich hätte ich frei nach Grob kontern können, kein PR-Bösewicht sei verpflichtet mit einem Journalisten zu reden. Aber ich hab’s gemacht, obwohl ich weder von Huldrich Zwingli noch von der Stadt Zürich mandatiert bin. Vielleicht, weil es in den Standesregeln meines Verbandes heisst: „Die Mitglieder erfüllen nach Möglichkeit Informationswünsche von Parlamentsmitgliedern und weiterer interessierter Stellen“. Oder weil ich es langweilig finde, im Schützengraben zu sitzen.
Ständerat ab nächstem Frühling elektronisch
Posted by: | CommentsDer Ständerat wird ab Frühling 2014 elektronisch abstimmen - über 20 Jahre nach Einführung der ersten Anlage im Nationalratssaal. Die in den Medien breit ausgewalzten Zählpannen der vergangenen Session generierten einen derartigen Druck auf die kleine Kammer, dass dieser Entscheid im Frühling dieses Jahres unausweichlich wurde.
Wie im Nationalratssaal wird ab nächstem Frühling jedes Ratsmitglied von seinem Pult aus abstimmen. Die Ergebnisse werden auf drei Bildschirmen im Saal angezeigt. Wie beim Nationalrat werden die Daten nach den Abstimmungen in Form von Namenslisten auf der Website des Parlamentes veröffentlicht, wie das Büro des Ständerates gestern mitteilte.
Offenbar lässt sich die Installation aus dem Nationalratssaal nicht einfach duplizieren. Gemäss Mitteilung des Büros des Ständerates müssen „sämtliche Elemente“ der 600‘000 Franken teuren Anlage „spezifisch entwickelt“ werden.
Auch wenn sich trefflich darüber streiten lässt, ob Transparenz (k)ein Selbstzweck sei oder ob die politische Kultur jetzt leide oder nicht : Es ist nicht einzusehen, weshalb die Abstimmungsergebnisse der kleinen Kammer nicht elektronisch erhoben und der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden sollen. Es handelt sich dabei ja durchaus nicht um ein neumodisches Experiment, sondern um eine Abstimmungsmethode, welche seit 1993 in der grossen Kammer ohne Konflikte und Widersprüche praktiziert wird. Mit diesem Entscheid wird der Ständerat lediglich zum europäischen Normalfall – nichts mehr, aber auch nichts weniger.
Noch ein Wort zur speziellen politischen Kultur im Ständerat: Die viel beschworene “chambre de réflexion” verändert sich immer mehr zu einer “normalen zweiten Kammer”: Der Ständerat ist in der schweizerischen Ausprägung des Zweikammersystems eine gleichwertige zweite Kammer mit denselben Aufgaben wie der Nationalrat, im Gegensatz zum Beispiel zu Österreich, wo die kleine Kammer primär bei Verfassungsgesetzen oder Staatsverträgen in Erscheinung tritt. Aus dieser Optik mag man dem Ständerat eine qualitativ hochwertige “Reflexions”-Funktion weiterhin wünschen, ein Grund für eine gesonderte Behandlung bei der Abstimmungsmethode ist das jedoch nicht. Die Reflexion ist durchaus auch elektronisch möglich.
Reflexion ist auch elektronisch möglich
Posted by: | CommentsDer Ständerat führt die elektronische Abstimmung ein – 20 Jahre nach Einführung der ersten Anlage im Nationalratsaal. Die in den Medien breit ausgewalzten Zählpannen generierten einen derartigen Druck auf die kleine Kammer, dass dieser Entscheid unausweichlich wurde. Mit sichtbarem Unbehagen beugten sich die Damen und Herren Ständeräte gestern dem Transparenz-Imperativ.
Auch wenn sich trefflich darüber streiten lässt, ob Transparenz (k)ein Selbstzweck sei oder ob die politische Kultur jetzt leide oder nicht : Es ist nicht einzusehen, weshalb die Abstimmungsergebnisse der kleinen Kammer nicht elektronisch erhoben und der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden sollen. Es handelt sich dabei ja durchaus nicht um ein neumodisches Experiment, sondern um eine Abstimmungsmethode, welche seit 1993 in der grossen Kammer ohne Konflikte und Widersprüche praktiziert wird. Mit diesem Entscheid wird der Ständerat lediglich zum europäischen Normalfall – nichts mehr, aber auch nichts weniger.
Noch ein Wort zur speziellen politischen Kultur im Ständerat: Die viel beschworene “chambre de réflexion” verändert sich immer mehr zu einer “normalen zweiten Kammer”: Der Ständerat ist in der schweizerischen Ausprägung des Zweikammersystems eine gleichwertige zweite Kammer mit denselben Aufgaben wie der Nationalrat, im Gegensatz zum Beispiel zu Österreich, wo die kleine Kammer primär bei Verfassungsgesetzen oder Staatsverträgen in Erscheinung tritt. Aus dieser Optik mag man dem Ständerat eine qualitativ hochwertige “Reflexions”-Funktion weiterhin wünschen, ein Grund für eine gesonderte Behandlung bei der Abstimmungsmethode ist das jedoch nicht. Die Reflexion ist durchaus auch elektronisch möglich.
Resilienz oder Katastrophe? Wie wir künftig mit Krisen umgehen werden
Posted by: | CommentsDie Politik wurstelt sich durch, die Konjunktur schleppt sich mehr schlecht als recht dahin, das Finanzsystem könnte jederzeit kippen. Dauerhafte Abhilfe ist nicht in Sicht. Angesichts dieser schleichenden Apokalypse bleibt nur eines: Die Gesellschaft muss lernen, mit der Krise zu leben, die Systeme müssen “fehlertolerant” werden resp. deren Widerstandskräfte müssen gestärkt werden.
Dies das Fazit einer Studie unserer Wiener Kollegen von Kovar&Köppl, die seit 2006 jährlich die sog. “Arena-Analyse” durchführen, in welcher sie im Sinne der “Früherkennung” politischer Issues österreichische und deutsche Experten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft befragen, was in den kommenden Jahren wichtig wird. Die aktuelle Arena-Analyse 2012 steht dabei ganz im Zeichen der Resilienz (download der Analyse als pdf).
Dieses Wort ist in der politischen Debatte relativ neu: Es lässt sich am ehesten noch mit „Widerstandsfähigkeit“ oder “Fehlertoleranz” übersetzen – in dem Sinne, dass Systeme so beschaffen sein sollten, dass sie Schocks, Störungen von außen oder Katastrophen besser überstehen können. Dieser Gedanke zeige sich in einer bestimmten Herangehensweise an Risiken, schreiben die Studienautoren: „Im Mittelpunkt stehen weniger die Vorkehrungen, die verhindern können, dass eine ungünstige Entwicklung eintritt. Es geht vielmehr darum, mit den Folgen fertig zu werden.
Die Dichte und Komplexität der Studie verlangt auch dem geneigten Leser einiges ab. Jedem, der sich mit “emerging issues” beschäftigen will, sei die Lektüre dennoch wärmstens empfohlen.
Klare Lobbyisten-Akkreditierung oder “unsaubere” Liste?
Posted by: | CommentsDie seit Mitte Dezember online gestellte “Lobbyliste” ist auf reges Interesse der Medien gestossen. Dabei wurden auch schon die ersten Ungereimtheiten entdeckt. Wie kam es dazu?
Jeder Parlamentarier konnte zu Beginn der neuen Legislatur zwei Besucherausweise vergeben, welche zum Zutritt zur Wandelhalle berechtigen. Theoretisch wären 492 Ausweise zu vergeben gewesen. Tatsächlich vergeben wurden lediglich 273. Es wurden drei Kategorien an Ausweisen vergeben: 69 Ausweise gingen an “Gäste” (also Familienmitglied, Freund/in, Lebenspartner/in usw.) und “persönliche Mitarbeiter”. 204 Ausweise wurden an “Interessenvertreter”, also Lobbyisten im eigentlichen Sinne vergeben, wobei diese Personen gehalten waren, ihren Auftrags- bzw. Arbeitgeber, den Verband, ihre Agentur oder ihre politische Organisation anzugeben.
Als wir anfangs November diese Neuerung ankündigten, kündigten wir an, man dürfe gespannt sein, welche Früchte diese auf Selbstdeklaration basierende Kategorisierung tragen werde und welche Kollegen es sich nicht verkneifen könnten, als “Gäste” durchzugehen. In der Tat kam es, wie es kommen musste: Bereits eine knappe Woche nach Veröffentlichung der Lobbyliste wurden die ersten “unsauberen Einträge auf der Lobbyisten-Liste” (20 Minuten) enttarnt.
Auch wenn wir also noch nicht das perfekte System haben: Nationalrätin Edith Graf-Litscher und ihrer Initiative ist es zu verdanken, dass dieser erste Schritt in Richtung Lobbytransparenz überhaupt möglich wurde. Und möglich wurde er nur gegen erbitterten Widerstand – und zwar nicht der Lobbyisten sondern des Parlamentes, welches den Vorstoss Graf-Litscher in den Kommissionen zuerst zweimal ablehnte, bevor der Kompromissvorschlag mit dem online-Register und den drei Kategorien aus dem Hut gezaubert wurde.
Was müsste denn für eine adäquate Lobbytransparenz getan werden? Zuallererst müsste dem Parlament die Angst vor einer “Lobbyistenschwemme”, hervorgerufen durch eine Institutionalisierung, genommen werden. Wenn die für den Vorstoss Graf-Litscher zuständige Nationalratskommission verlauten lässt, “der Lobbyismus habe im Übrigen im Parlamentsgebäude eine viel geringere Bedeutung, als die Öffentlichkeit und die Lobbyisten selbst glauben”, dann spricht dies Bände – und zwar eher für den Psychiater als den Politologen. Diese (nach aussen propagierte) Haltung des unbeeinflussbaren Parlamentariers, der in vollkommener Unabhängigkeit und nur der Staatsraison folgend entscheidet, ist sicher redlich. Aber sie stimmt einerseits nicht mit der Realität unseres schweizerischen Politsystems überein, welches Politik als Ausgleich verschiedener Interessen versteht. Und anderseits widerspricht sie auch nicht der tagtäglichen konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Lobbyisten und Parlamentariern.
Es wäre an der Zeit, professionelle politische Interessenvertretung in der Schweiz als Faktum anzuerkennen, welches keineswegs die Position und das Ansehen des Politsystems und der “belobbyierten” Parlamentarier schmälert, sondern einen wichtigen Beitrag zur politischen Debatte beitragen kann, wenn sie transparent und offen erfolgt. Was ist zu tun? Anstelle lediglich einer öffentlichen Liste von Ausweisinhabern braucht es eine formale Akkreditierung für Lobbyisten (analog Bundeshausjournalisten), die in einem Transparenz- oder Lobbyregister öffentlich gemacht wird. Interessenvertreter gelten dann als akkreditierte Lobbyisten, wenn sie sich in das Register eintragen und einen Verhaltenskodex unterzeichnen. Akkreditierte Lobbyisten erhalten dann einen Zutrittsausweis zur Wandelhalle. Das Register soll neben Veränden auch Lobbyarbeit betreibende Unternehmen, NGOs, Agenturen und Anwaltskanzleien umfassen und listet Angaben zur Organisation, zu Auftraggebern und Aufgabengebieten und allenfalls auch zu Finanzen auf. Bei falschen oder unvollständigen Angaben droht die Streichung aus dem Register.
Man darf gespannt sein, ob das neue Parlament diesen Ball aufnehmen will, oder mit der heutigen Regelung gut leben kann. Die Lobbyisten könnten damit leben, unsere Branche würde hingegen ein Mehr an Transparenz ganz ausdrücklich begrüssen. Es würde unserem System gut anstehen.
Deutlich weniger Lobbyisten als Parlamentarier
Posted by: | CommentsDie Inhaber der “Lobbypässe” (Ausweise, welche zum Zutritt zur Wandelhalle berechtigen) sind seit heute auf der Parlamentswebsite online verfügbar. Wobei “online” ein grosses Wort ist für die zwei pdf-Dokumente, die lieblos auf die Startseite von parlament.ch gestellt worden sind. Erste Erkenntnis beim Durchblättern: Die “Tausenden von Lobbyisten” (Nationalrat Lukas Reimann) sind bei Lichte besehen gerade einmal 204.
Jedes Ratsmitglied kann gemäss Parlamentsgesetz zwei Personen nach Wahl eine Zutrittskarte zum “nichtöffentlichen Teil des Parlamentsgebäudes”, also zur Wandelhalle, ausstellen lassen. Theoretisch wären also 492 Ausweise zu vergeben gewesen. Tatsächlich vergeben wurden lediglich 273 (224 von Nationalrätinnen und Nationalräten, 49 von Ständerätinnen und Ständeräten). Davon sind 69 Ausweise für persönliche Mitarbeiter und Familienmitglieder.
Es bleiben bescheidene 204 Lobbyisten mit einem Zutrittsausweis. Diese vertreten zum Beispiel den Schweizerischen Anwaltsverband, Travail.Suisse, die Stiftung für Konsumentenschutz, die Privatkliniken Schweiz, die Aktion Medienfreiheit, den Schweizerischen Bauernverband, verschiedene Städte und Kantone vor allem der Westschweiz, economiesuisse, die fédération suisse des vignerons oder Kommunikationsagenturen wie Burson-Marsteller, Dynamics Group oder Farner PR (Auszug aus der online verfügbaren Liste). Offenlegung in eigener Sache: Auch der Autor dieses Beitrages sowie zwei Kollegen seiner Agentur sind im Besitz eines Ausweises.
Die viel beklagte “Lobbyistenschwemme” sieht bei Lichte betrachtet viel nüchternen aus – eigentlich echt schweizerisch.
Strengerer Verhaltenskodex für EU-Abgeordnete
Posted by: | CommentsDer Ausschuss des Europäischen Parlaments zu Konstitutionellen Fragen stimmte kürzlich dem neuen Verhaltenskodex zu, der mehr Transparenz über Nebentätigkeiten von EU-Abgeordneten und Einschränkungen bei Geschenken vorsieht. Dies ist der direkte Ausfluss des sogenannten “cash-for-law”-Skandals. Abgeordnete dürfen kein Geld oder indirekte Belohnungen für die Einflussnahme auf Entscheidungen des Parlaments annehmen. Das bedeutet de facto ein Verbot von Lobby-Nebentätigkeiten, soweit sie das Europaparlament betreffen. Die neuen Regeln sind die Konsequenz aus den Skandalen um bestechliche EU-Abgeordnete. Dabei hatten Journalisten sich als Lobbyisten ausgegeben und Abgeordneten Geld für Gesetzesänderungen angeboten – und einige hatte angenommen.
Neues Parlament, neue Lobbypässe und ein bisserl Transparenz
Posted by: | CommentsDie eidgenössischen Räte sind (fast) gewählt, bestehen zu einem Drittel aus neuen Parlamentariern und treten am 5. Dezember zur ersten Session in der neuen Legislatur zusammen. Nun kommt für Lobbyisten wieder die Jagdzeit: Einer der zwei Besucherausweise (“Lobbypässe”), die jeder Parlamentarier vergeben kann und den freien Zugang zur Wandelhalle ermöglichen, muss her.
Nach wie vor gibt es nämlich keine Akkreditierungslösung für Lobbyisten, das etwas seltsame System der 2 Besucherausweise pro Parlamentarier wird auch in der neuen Legislatur weitergeführt. Ein bisserl Transparenz wird aber trotzdem geschaffen: Neu wird die Liste der Inhaber dieser Besucherausweise ab Wintersession 2011 auf der Website des Parlamentes veröffentlicht – bis dato konnte man diese nur physisch vorhandene Liste zwar einsehen, durfte sie aber nicht kopieren (abschreiben war erlaubt!). Zudem wird künftig auf dem Besucherausweis und im Interneintrag vermerkt (und das ist neu!), zu welcher der folgenden drei Kategorien der Besitzer gehört:
- “Gast” (Familienmitglied, Freund/in, Lebenspartner/in usw.)
- “Persönliche/r Mitarbeiter/in”
- “Interessenvertreter/in”: ……………… (wobei die Interessenvertreter gehalten sind, ihren Auftrags- bzw. Arbeitgeber, den Verband oder die politische Organisation anzugeben. Public Affairs-Berater weisen sich mit ihrem Firmennamen aus)
Man darf gespannt sein, welche Früchte diese auf Selbstdeklaration basierende Kategorisierung tragen wird und welche Kollegen es sich nicht verkneifen können, als “Gäste” durchzugehen…
Österreichs neues Lobbyinggesetz: Manche sind gleicher…
Posted by: | CommentsVon Feri Thierry, Wien.
Der Fall des österreichischen Europa-Abgeordneten Ernst Strasser im März dieses Jahres hatte enorme Auswirkungen auf die Innenpolitik des Landes: Neben dem Rücktritt des ÖVP-Delegationsleiter im Europäischen Parlament und den Turbulenzen für die Volkspartei hat die Justizministerin rasch den Entwurf eines “Lobbying-Transparenz-Gesetz” zur Diskussion gestellt, das die verpflichtende Eintragung aller Lobbyisten und Interessenvertreter vorsieht. Wenn es so auch tatsächlich beschlossen wird, dann wäre es, abgesehen von den USA, die strengste Regulierung für Lobbying weltweit. Erfreulich ist jedenfalls, dass wir nun über Interessenvertretung und ihren demokratiepolitischen Stellenwert grundsätzlich diskutieren. Die Vertretung von Interessen ist aus meiner Sicht eine legitime Form gesellschaftlichen Engagements. Sie ist auf verfassungsrechtlichen Prinzipien begründet und trägt zur Abschätzung möglicher Folgen von politischen Entscheidungen bei. Mehr Transparenz ist sinnvoll, um als Bürgerin/Bürger nachvollziehen zu können, wer auf welche politische Entscheidung Einfluss übt. Daher ist die Idee eines Interessenvertretungs-Registers (IVR) grundsätzlich zu begrüßen. Es soll alle Lobbyisten und ihre Aktivitäten abbilden.
Der Entwurf des Justizministeriums für dieses IVR bleibt indes auf halbem Weg stehen: Umfasst sind zwar alle Organisationen und Personen, die Interessen vertreten – also Unternehmen gleichermaßen wie Verbände, Kammern, Lobbyingagenturen und NGOs – allerdings gibt es in der Frage der Offenlegung von Informationen dann doch welche, die gleicher sind. Denn nach dem aktuellen Entwurf müssen nur Lobbyingagenturen angeben, in welchen Themen sie tätig werden, alle anderen vorher genannten müssen das nicht tun. Dieser Teil des IVR soll zwar nicht allen Menschen zugänglich sein, die Regelungen für die Einsichtnahme lassen aber breiten Missbrauch befürchten – und damit wären diese Informationen ohnehin wieder öffentlich.
Überdies soll es laut Entwurf des Justizministerium “Funktionsträgern”, also vereinfacht gesagt Politikern und Beamten, nicht erlaubt sein, während ihrer Tätigkeit als gewerbliche Interessenvertreter tätig zu sein. Für Unternehmen, Verbände, Kammern und NGOs dürfen sie aber sehr wohl lobbyieren und gleichzeitig ihre Funktion ausüben. Warum diese Unterscheidung? Wenn es problematisch erscheint, dass ein Abgeordneter oder eine Beamtin gleichzeitig in einer Lobbyingagentur beschäftigt ist, warum ist es dann in Ordnung, wenn die gleiche Person Chef-Lobbyist eines Telekom-Unternehmens oder Lobbyistin eines Pharma-Verbandes ist? Nicht zuletzt wäre aus meiner Sicht neben den Geldstrafen und der Streichungs-Androhung auch ein positives Element im IVR essenziell: Mit der Eintragung ins Register sollte auch die Ausstellung von Zugangsberechtigung zu Parlament und Ministerien sowie die gezielte Berücksichtigung bei Begutachtungsprozessen von Gesetzen verbunden sein. Das würde nicht nur das Register attraktiver machen, sondern auch einen weiteren Beitrag zur Transparenz der Tätigkeit von Interessenvertretern leisten.
Das IVR kann einen wertvollen demokratiepolitischen Beitrag leisten und für mehr Sensibilität in einer politisch bedeutsamen Branche sorgen. Nur eine Gleichbehandlung aller Interessenvertreter bringt tatsächlich Transparenz von politischen Entscheidungen. Und ein Register ist mit Sicherheit keine Antwort auf Problemfälle politischer Korruption. Daher kann dieses Gesetz nur ein Element von einem Maßnahmenbündel sein, die sich insbesondere der Unvereinbarkeit von politischen Funktionen und Nebentätigkeiten, der Parteienfinanzierung und der Korruptionsbekämpfung widmen.
Sollen Journalisten ihre Parteizugehörigkeit offenlegen müssen?
Posted by: | CommentsIm Zürcher Kantonsparlament akkreditierte Medienschaffende sollen nach Ansicht zweier SVP-Parlamentarier ihren politischen Standpunkt offenlegen – jedoch nur, wenn die Journalisten für ein “ganz oder teilweise zwangsgebührenfinanziertes Medium” arbeiten (gemeint ist die SRG). Es sei ein Gebot der Fairness, dass diese Medienschaffenden den Parlamentariern bezüglich Offenlegung von Interessenbindungen gleich behandelt würden, finden die Parlamentarier Claudio Zanetti und Claudio Schmid in der Begründung ihrer parlamentarischen Initiative.
Die Journalistinnen und Journalisten sollen Mitgliedschaften in Parteien und politischen Organisationen offenlegen. Zudem soll deren persönlicher politischer Standpunkt – mit Hilfe eines Smartvote-Profils – veröffentlicht werden. Heute gebe es keine Transparenz über die politischen Standpunkte der “Medienschaffenden, die von der Allgemeinheit finanziert werden”. Gemäss den beiden SVP-Politiker schulden sie aber der Bevölkerung in gleichem Mass Rechenschaft über ihre Interessenbindungen wie gewählte Volksvertreterinnen und Volksvertreter.
Das geforderte Vorgehen scheint einigermassen komplex in der Umsetzung zu sein. Einfacher wäre es, wenn die SVP-Fraktion im Zürcher Kantonsparlament (56 von 180 Mitglieder) abschliessend darüber befinden könnte, welche Journalisten im Zürcher Rathaus zugelassen würden…