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Gastbeitrag von Sabine Etter
Die Autorin hat Ende Dezember 2013 ihre Masterarbeit zum Thema “Lobbytransparenz – Möglichkeiten und Grenzen einer Regelung in der Schweiz” als Abschlussarbeit im Master of Advanced Studies in Communication and Leadership an der ZHAW in Winterthur eingereicht.
Transparenzregelungen im Lobbying haben in der Schweiz einen schweren Stand. Dies kommt nicht von ungefähr: Die besonderen politischen Bedingungen mit direktdemokratischen Elementen und Vernehmlassungsverfahren garantieren den Interessenausgleich und stärken das Vertrauen ins Politsystem. Die Lobbybranche ist vergleichsweise überschaubar und im Parlament hoch angesehen – Lobbyisten treten transparent und professionell auf. Zudem ist die Schweiz im Gegensatz zu anderen Staaten bisher von Lobbyskandalen verschont geblieben. Dennoch ist ein eigenes Akkreditierungssystem für den Zutritt zum Bundeshaus gegenüber einer Selbstregulierung der Branche vorzuziehen. Dies hat eine qualitative Befragung von Parlamentariern und Lobbyisten ergeben, die ich im Rahmen meiner Masterarbeit an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) durchgeführt habe. Die Ergebnisse der Befragung zeigen eine weitgehende Übereinstimmung mit den Forderungen der parlamentarischen Initiative von Andrea Caroni (FDP) und ermöglichen deren Konkretisierung.
Akkreditierung und Transparenzregister
In Orientierung an die Akkreditierung für Medienschaffende sollte ein abgestuftes Akkreditierungssystem für Interessenvertreter geschaffen werden. Eine permanente Akkreditierung für die Dauer einer Legislatur könnten diejenigen beantragen, die sich im Umfang von mindestens 60 Prozent mit der Bundespolitik beschäftigen. Interessenvertreter würden für eine Session akkreditiert, wenn sie Interessen bezüglich in der Session behandelter Geschäfte vertreten. Einen Tagesausweis schliesslich könnten sporadische Interessenvertreter sowie Mitarbeiter permanenter Interessenvertreter beantragen. Voraussetzung für die Akkreditierung müsste in allen Kategorien die Verpflichtung zur Einhaltung des Verhaltenskodex sowie der Eintrag ins Transparenzregister unter Angabe von Name und Arbeitgeber sein. Agenturen und Selbstständige hätten zudem sämtliche Mandate offenzulegen, für die die Akkreditierung gewünscht wird. Das Register würde im Internet publiziert.
Akteure
In das Akkreditierungssystem sollten sämtliche Akteure aufgenommen werden, welche spezifische Interessen vertreten – neben Unternehmens-, Verbands- und Agenturlobbyisten auch Vertreter von NGOs und Institutionen sowie ehemalige Parlamentarier, sofern sie sich in Funktion der Interessenvertretung im Bundeshaus aufhalten. Ausgenommen von der Akkreditierung wären Ratsmitglieder, deren persönliche Mitarbeiter und Gäste sowie Vertreter der Bundesverwaltung und Kantone. Der Einbezug von Anwaltskanzleien und Rechtsanwälten in nicht anwaltschaftlicher Funktion könnte geprüft werden.
Umsetzung und Kontrolle
Für die Ausarbeitung des Verhaltenskodex – im Wesentlichen „Hausregeln“ und Ehrenkodex – sowie die Prüfung der Akkreditierungsanträge könnten Berufs- und Branchenverbände einbezogen werden. Fehlverhalten würde schriftlich verwarnt und im Wiederholungsfall der Entzug der Akkreditierung drohen. Auf Basis einer Auswertung der tatsächlich erfolgten Zutritte bliebe ein durch die Parlamentsdienste verfügter Kategorienwechsel vorbehalten, ebenso die Verpflichtung von Gästen und ehemaligen Parlamentariern zur Eintragung ins Transparenzregister. Nicht zu empfehlen ist eine zahlenmässige Beschränkung der Interessenvertreter. Lobbying ist zwar ein wachsender Trend, eine Lobbyistenflut aufgrund des eigenen Akkreditierungssystems ist hingegen kaum denkbar. Vielmehr ist ein deutlicher Rückgang bei der Vergabe von Gästebadges und bei den Tagesgästen zu erwarten.
Eine solche Regelung würde dem Trend zur Professionalisierung des Lobbyings Rechnung tragen und dürfte zweifelsohne der Reputation der Branche dienen. Die Auflösung der Abhängigkeiten über den Gästebadge käme aber auch dem Ansehen der Parlamentarier zugute und würde – auch ohne vorgängigen Skandal – die Prozesse der politischen Entscheidfindung in der Schweiz transparenter gestalten.

(ah.) Journalisten der Wochenzeitung The Sunday Times machten im März 2011 publik, dass sie als vorgebliche Lobbyisten dem österreichischen Europa-Abgeordneten Ernst Strasser angeboten hatten, ihn dafür zu bezahlen, wenn er in ihrem Sinne Änderungen bei geplanten EU-Richtlinien einbringen würde und dass Strasser und weitere Abgeordnete auf diesen vermeintlichen Deal eingestiegen seien. Der Rücktritt Strassers erfolgte gleichentags und setzte in Oesterreich eine politische Diskussion um Lobbying und Transparenz in Gang, die in einer Lobbyisten-Gesetzesnovelle mündete, über die noch diesen Herbst im Parlament debattiert werden soll. Wandelhalle.ch hat Feri Thierry, der als Lobbyist und Kommunikationsberater sowie Geschäftsführer der Thierry Politikberatung in Wien tätig ist, angefragt, das im Entstehen begriffene Lobbyinggesetz zu kommentieren. Feri Thierry leitet einen Lehrgang zu Public Affairs und ist Vortragender an verschiedenen Bildungsinstitutionen.
Von Feri Thierry, Wien.
Der Fall des österreichischen Europa-Abgeordneten Ernst Strasser im März dieses Jahres hatte enorme Auswirkungen auf die Innenpolitik des Landes: Neben dem Rücktritt des ÖVP-Delegationsleiter im Europäischen Parlament und den Turbulenzen für die Volkspartei hat die Justizministerin rasch den Entwurf eines “Lobbying-Transparenz-Gesetz” zur Diskussion gestellt, das die verpflichtende Eintragung aller Lobbyisten und Interessenvertreter vorsieht. Wenn es so auch tatsächlich beschlossen wird, dann wäre es, abgesehen von den USA, die strengste Regulierung für Lobbying weltweit. Erfreulich ist jedenfalls, dass wir nun über Interessenvertretung und ihren demokratiepolitischen Stellenwert grundsätzlich diskutieren. Die Vertretung von Interessen ist aus meiner Sicht eine legitime Form gesellschaftlichen Engagements. Sie ist auf verfassungsrechtlichen Prinzipien begründet und trägt zur Abschätzung möglicher Folgen von politischen Entscheidungen bei. Mehr Transparenz ist sinnvoll, um als Bürgerin/Bürger nachvollziehen zu können, wer auf welche politische Entscheidung Einfluss übt. Daher ist die Idee eines Interessenvertretungs-Registers (IVR) grundsätzlich zu begrüßen. Es soll alle Lobbyisten und ihre Aktivitäten abbilden.
Der Entwurf des Justizministeriums für dieses IVR bleibt indes auf halbem Weg stehen: Umfasst sind zwar alle Organisationen und Personen, die Interessen vertreten – also Unternehmen gleichermaßen wie Verbände, Kammern, Lobbyingagenturen und NGOs – allerdings gibt es in der Frage der Offenlegung von Informationen dann doch welche, die gleicher sind. Denn nach dem aktuellen Entwurf müssen nur Lobbyingagenturen angeben, in welchen Themen sie tätig werden, alle anderen vorher genannten müssen das nicht tun. Dieser Teil des IVR soll zwar nicht allen Menschen zugänglich sein, die Regelungen für die Einsichtnahme lassen aber breiten Missbrauch befürchten – und damit wären diese Informationen ohnehin wieder öffentlich.
Überdies soll es laut Entwurf des Justizministerium “Funktionsträgern”, also vereinfacht gesagt Politikern und Beamten, nicht erlaubt sein, während ihrer Tätigkeit als gewerbliche Interessenvertreter tätig zu sein. Für Unternehmen, Verbände, Kammern und NGOs dürfen sie aber sehr wohl lobbyieren und gleichzeitig ihre Funktion ausüben. Warum diese Unterscheidung? Wenn es problematisch erscheint, dass ein Abgeordneter oder eine Beamtin gleichzeitig in einer Lobbyingagentur beschäftigt ist, warum ist es dann in Ordnung, wenn die gleiche Person Chef-Lobbyist eines Telekom-Unternehmens oder Lobbyistin eines Pharma-Verbandes ist? Nicht zuletzt wäre aus meiner Sicht neben den Geldstrafen und der Streichungs-Androhung auch ein positives Element im IVR essenziell: Mit der Eintragung ins Register sollte auch die Ausstellung von Zugangsberechtigung zu Parlament und Ministerien sowie die gezielte Berücksichtigung bei Begutachtungsprozessen von Gesetzen verbunden sein. Das würde nicht nur das Register attraktiver machen, sondern auch einen weiteren Beitrag zur Transparenz der Tätigkeit von Interessenvertretern leisten.
Das IVR kann einen wertvollen demokratiepolitischen Beitrag leisten und für mehr Sensibilität in einer politisch bedeutsamen Branche sorgen. Nur eine Gleichbehandlung aller Interessenvertreter bringt tatsächlich Transparenz von politischen Entscheidungen. Und ein Register ist mit Sicherheit keine Antwort auf Problemfälle politischer Korruption. Daher kann dieses Gesetz nur ein Element von einem Maßnahmenbündel sein, die sich insbesondere der Unvereinbarkeit von politischen Funktionen und Nebentätigkeiten, der Parteienfinanzierung und der Korruptionsbekämpfung widmen.
Ein Einblick in die Vorgehensweise Berliner Lobbyagenturen von Simone Wagner, politreport, Berlin
Was hat ein Mitglied des deutschen Bundestages im Aktenkoffer, wenn er oder sie zu einer Abstimmung geht? Den Gesetzesentwurf der Bundesregierung, den Gesetzesentwurf der Opposition, das Positionspapier der Fraktion, Statements der relevanten Unternehmen, vielleicht die Protokolle der öffentlichen Anhörungen, ein paar Tageszeitungen und in der Idealwelt des Lobbyisten ein Informationspapier seiner Agentur.
Lobbyismus wird auch in Deutschland zunehmend kritisch betrachtet. Wie kommen Positionspapiere in die Aktenkoffer der Bundestagsabgeordneten? Fanden vorher Absprachen zwischen dem Lobbyisten und dem Abgeordneten in diskreter Umgebung oder gar in illustrer Herrenrunde statt? Die Skepsis gegenüber Lobbyismus hat verschiedene Gründe. Sie ist in nicht unerheblichen Ausmass der Tatsache geschuldet, dass der Öffentlichkeit die Arbeitsweise von Interessenvertretern kaum bekannt ist. Daran tragen nicht zuletzt Lobbyisten, Verbände und Unternehmen selber bei. Verschwiegenheit und das Fehlen von Transparenz gehören nicht selten zum langjährig gepflegten Image und dem Geschäftskonzept. Die Wahrnehmung von Interessen und Vermittlung von Positionen sind allerdings weder Hexenwerk noch Geheimwissenschaft. Doch wie genau arbeiten professionelle Interessenvertreter in Berlin?
Viele junge Lobbyisten beginnen ihre Karriere als Trainee in einer der vielen Agenturen für politische Kommunikation in Berlin. Diese werden von Unternehmen beauftragt Unterstützung für ihre Interessen in der Politik zu suchen. Einer dieser Nachwuchslobbyisten ist Tim Hauser*. Er hat Politikwissenschaften studiert, einige Erfahrungen in einem Abgeordnetenbüro gesammelt und lernt jetzt als Nachwuchslobbyist die Frage nach dem Weg in den Aktenkoffer zu beantworten.
Lesen Sie den ganzen Artikel bei politreport/NZZonline.
Gastbeitrag von Nationalrätin Edith Graf-Litscher (SP/TG)
Die Interessenvertretung ist ein legitimes Element in einem demokratischen Land. Die heutige Regelung für den Zugang von Lobbyisten zum Bundeshaus ist jedoch unbefriedigend und nicht transparent. Mit meiner Parlamentarischen Initiative 09.486 – “Lobbying und Transparenz im Bundeshaus”- möchte ich für klare Verhältnisse sorgen.
Die parlamentarische Initiative verlangt:
Es sind die gesetzlichen Bestimmungen zu schaffen, wie der Zugang von Lobbyisten zum Parlamentsgebäude und die Akkreditierung von Lobbyisten neu zu regeln sind, damit folgende Bedingungen erfüllt sind:
- Es ist eine eigene Akkreditierung für Lobbyisten zu schaffen (analog Bundeshausjournalisten), gekoppelt an ein öffentliches Register (z.B. auf der Parlamentswebsite, mit Foto);
- Es sind Kritierien zu definieren, nach welchen die Lobbyisten akkreditiert werden können. Sie sind gesetzlich zu verpflichten, ihre Mandate offenzulegen respektive ihre Arbeitgeber (Verband, NPO, Firma) anzugeben;
- Mit der Definition, wer als Lobbyist oder Lobbyistin zu akkreditieren ist, muss gleichzeitig eine verbindliche Regelung geprüft werden, wie mit Rechtsanwälten zu verfahren ist, die Mandate betreuen und sich auf ihr Anwaltsgeheimnis berufen.
Gastbeitrag von Nationalrätin Barbara Schmid-Federer (CVP/ZH)
Selten ist im Parlament ein Geschäft derart mehrheitsfähig wie die Forderung nach einem transparenten Lobbyistenregister. Das ist auch gut so, denn Heimlichkeiten schaden nicht nur dem Parlament sondern der Politik als Ganzes.
Leider wird in der aktuellen Diskussion zu viel darüber diskutiert, was Lobbyisten alles deklarieren müssen: Mandate, Bezüge, absolute Zahlen, relative Angaben, weitere Interessenbindungen, etc. Diese etwas gar aufgeblähte Debatte könnte einen kontraproduktiven Effekt hervorrufen.
Lobbyisten sind in der Schweiz – mit wenigen Ausnahmen – kein Problem. Sie sind loyale Mitarbeitende des Parlamentsbetriebs, und ohne sie wäre die Informationsbeschaffung zu manchem Spezialgebiet schlicht nicht zu bewältigen. Die VertreterInnen dieser Lobbyistengruppe aber sind erfahrungsgemäss jederzeit bereit, offenzulegen, was sie warum und für wen tun.
Lobbyisten sollten meines Erachtens offenlegen, dass sie als Lobbyisten tätig sind und in welcher Fachsparte sie spezialisiert sind. Eine solche Liste dürfte transparent im Internet publiziert werden. Schlimmstenfalls würden gewisse Lobbyisten ihre Arbeit nicht mehr in der Wandelhalle, sondern ausserhalb des Bundeshauses tätigen – dies soll uns nicht daran hindern, einfache Regeln zu erstellen.
Ich hoffe, dass wir dieses Thema rasch angehen, uns auf eine pragmatische Lösung einigen, und uns dann wieder den gesamtgesellschaftlich zentraleren Geschäften zuwenden.
Gastbeitrag von Peter Metzinger (Co-Gründer & Verwaltungsratspräsident The Reputation Rescue Company AG)
Dieser oft fälschlich Wilhelm Busch oder auch Bert Brecht zugeschriebene Satz klingt sicher merkwürdig aus der Feder eines Co-Gründers einer Agentur mit dem Namen The Reputation Rescue Company. Dennoch lohnt es sich, die Frage zu beleuchten, ob es nicht auch Situationen gibt, in denen dieser Satz den besseren Weg, aus einer Auswahl weniger guter Wege, weisen kann.
Vor wenigen Wochen wurde im Schweizer Fernsehen behauptet, ein bekannter Interessensverband sei speziell mit einer der Bundesratsparteien verbändelt. Die Sendung vermittelte den Eindruck, die Vertreter dieser Parteien würden durch den Verband regelrecht gesteuert. Einzelne Politiker wurden interviewt. Dabei wurde teilweise gänzlich abgestritten, dass es überhaupt Kontakt mit Verbandsvertretern gab, oder dass deren Unterlagen gelesen wurden. Diese Aussage wirkte im Kontext des Berichts derart unglaubwürdig, dass es sich um Notlügen eines Parlamentsmitglieds zu handeln schien, das sich bedrängt fühlte und keine bessere Antwort wusste. Ob dem so war oder nicht sei dahingestellt.
Manchmal ist es besser, ein Vergehen zuzugeben, das man gar nicht begangen hat, als es abzustreiten.
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Gastbeitrag von Ständerat Bruno Frick (CVP/SZ)
Überraschungen gibt es nach 18 Jahren Ständeratsarbeit noch immer. Diese Sommersession war die aufreibendste. Nicht nur in meiner Erfahrung, sondern seit Bestehen des Ständerates. Während dreier Wochen tägliche Sitzungen und Beratungen. Sie beginnen morgens in der Regel um sieben Uhr und enden abends nach acht Uhr. Kaum Pausen, etwas zu essen. Und fragen Sie mich bitte nicht, wie das Wetter in Bern die vergangenen drei Wochen war. Ich weiss nur, dass ich meinen Regenmantel nur einmal anzog.
Was ist denn los in Bern? Ich stelle drei Gründe fest: Viele grosse Geschäfte sind gleichzeitig reif geworden, doch der Ständerat neigt neuerdings ebenfalls zu Hyperaktivität und vor allem zu Geschwätzigkeit. Noch nie habe ich erlebt, dass so viele anspruchsvolle und gewichtige Geschäfte im Ständerat in einer Session gleichzeitig anfielen: grosse Mehrwertsteuer-Reform, Arbeitslosenversicherung, AHV-Revision, Kulturförderung und Pro Helvetia, Dauerbrenner Krankenversicherung, Aktienrecht. Hinzu kommen zwei Volksinitiativen und zahlreiche weitere Geschäfte, die vorbesprochen und beraten sein sollen.
Zahl der Lobbyisten steigt
Noch nicht genug. Selbst Ständerätinnen und Ständeräte zeigen sich neuerdings hyperaktiv. Mehr als achtzig persönliche Vorstösse (Motionen, Postulate und interpellationen) von Ratsmitgliedern sind zu beraten. Wenn jeder im Schnitt nur eine Viertelstunde beansprucht, werden daraus zwanzig Sitzungsstunden.
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Gastbeitrag von Lukas Golder, gfs.bern
Geld ist ein Machtmittel, aber die Demokratie ist nicht käuflich. In diesem Zusammenhang sollte man auch mit populären Irrtümern rund um Lobbyismus aufräumen. Zwei Gegenthesen.
1. Populärer Irrtum: Bezahlte Interessenvertretung ist korrupt
Medien berichten über Interessenvertretung manchmal so, als ob Bezahlung für eine bestimmte professionelle Stellungnahme und Einflussnahme in das politische Geschehen das Gleiche wie Korruption ist. Sie sollten es besser wissen: Ich wünsche auch Medienschaffenden, dass sie für ihre professionelle Leistung bezahlt werden. Und ich hoffe, dass Medienschaffende genauso wie Lobbyisten nicht korrupt sind. Der Fehlschluss ist vorgelagert. Wenn sich Akteure entscheiden, Geld in die Hand zu nehmen, um ein politisches Anliegen zu vertreten, dann tun sie dies nicht, um zu korrumpieren, sondern um ihrem eigenen Interesse genügend Gehör zu verschaffen. Es gibt zwar einen vermuteten Zusammenhang zwischen “lauter” und “überhaupt” gehört werden und der Interessenrealisation. Aber ein Akteur, der in einem fairen Geschäft legitime Mittel in die Hand nimmt, um seinem Interessen Gehör zu verschaffen, tut nicht, weil er etwas zu verbergen hat. In dem Fall wählt er nämlich tatsächlich besser die Korruption. In so einem Prozess sind “Have-Nots” schlechter gestellt: Interessen, die sich nicht mit Geld finanzieren lassen. Deshalb braucht es auch Korrektive: Nichtregierungsorganisationen oder freiwillig politische Aktive im Milizsystem und Medien, welche solchen Interessen Gehör verschaffen. Auch Medien machen nicht etwas völlig anderes als Lobbyisten. Sie verschaffen Anliegen Gehör. Manchmal helfen sie auch mit, Interessen zu realisieren. Das wichtigste Korrektiv ist aber das Volk. Wenn es sich von gewissen Interessen nicht überzeugen lässt, dann stellt es sich als letzte Instanz dagegen. Das ist schon oft passiert. Im Wettstreit der Meinungen und Interessen spielen Medien und Lobbyisten eine wichtige Rolle. In einem frühen Prozess der Meinungsbildung ist das gut so. Dass auch Interessen vertreten sind, wo Gewinne und damit Geld erwirtschaftet wird, muss gar nicht schlecht sein. Neben einem starken politischen System braucht es auch eine starke Wirtschaft, die Geld erwirtschaftet. Egal in welchem Sektor und mit welchem Produkt. Die Realität zeigt, dass vor allem junge und innovative Branchen auf professionelle Lobbyarbeit zurückgreifen, weil sie noch nicht fest in das politische System eingebunden sind. Wer also auf Lobby-Profis schiesst, meint eigentlich junge und innovative Wirtschaftszweige.
Meine Antithese zum ersten populären Irrtum: Unternehmen, die innovativ, erfolgreich und an der Schweizer Gesellschaft interessiert sind, entscheiden sich oft für eine bezahlte Interessenvertretung. Korruption ist der verbotene Weg der Erfolglosen.
2. Populärer Irrtum: Lobbyismus ist intransparent.
Seit Jahren vertreten wir die These, dass Campaigning und Lobbyismus enger zusammen wachsen müssen. Der Teil der öffentlichen Meinungsbildung über Massenmedien und der Interessenbündelung in einer frühen Phase des öffentliche Handelns wachsen immer näher zusammen. Macht gewonnen haben in diesem Prozess primär die Massenmedien. Erfolgreiche Lobbyisten arbeiten heute demnach nicht mehr nur in der Lobby. Sondern sie begeben sich in die grosse, offene Arena der massenmedialen Meinungsbildung. Selbstverständlich legen sie dabei nicht immer alle Karten offen. Politik ist ein komplizierteres strategisches Spiel als Poker und oft geht es auch um mehr als nur um Geld. Deshalb verwundert es nicht, wenn manchmal gewisse Karten verdeckt bleiben oder sogar noch ein Ass im Ärmel steckt. Statt dem Irrtum der fehlenden Transparenz zu erliegen, würden Massenmedien besser nach den versteckten Karten suchen. Das macht mehr Spass.
Meine Antithese zum zweiten populären Irrtum: Lobbyisten, die innovativ, erfolgreich und an der Schweizer Gesellschaft interessiert sind, operieren clever und nicht von Anfang an völlig transparent. Sie setzen aber verstärkt auch in einer frühen Phase der Meinungsbildung auf den öffentlichen Meinungsmarkt.