Lobbyisten als selbstverständlicher Bestandteil unseres politischen Systems: Eine Standortbestimmung
von Andreas HugiDie Vertretung von Partikularinteressen ist ein zentrales Wesen unserer Politik und Lobbyisten üben dabei eine wichtige Aufgabe im politischen Prozess aus. Diese Arbeit in der Nähe der Macht bedingt aber verantwortungsvolles Handeln und Transparenz. Wie keine andere Dienstleistungsbranche setzt sich die Kommunikationsbranche aktiv dafür ein.
Wahrscheinlich wurde in der Schweiz noch nie so viel über Lobbying geschrieben, wie in den vergangenen Wochen. Ist das Unbehagen darüber, wie politische Entscheide in Bundesbern zustande kommen echt oder herbeigeschrieben? Oder geht es eher darum, dass wir uns wieder einmal darauf verständigen müssten, wie unser politisches System funktioniert und was wir (nicht) wollen? Wenn in der „Zeit“ darüber sinniert wird, dass unsere Politik dann problematisch werde, wenn Lobbyisten nur noch für die ganz spezifischen Ziele ihrer Kunden werben und „das Grössere Ganze“ ausblenden, dann spricht aus diesen besorgten Zeilen ein Staatsverständnis, welches davon ausgeht, dass unsere Politiker bei ihrer Arbeit ein abstraktes Streben nach dem “Schönen, Guten und Wahren” vor Augen haben und dass eine Politelite genau weiss, was dies sein soll. Das schweizerische Staatsverständnis ist indes im Gegenteil von einem gesunden Misstrauen gegenüber den staatlichen Institutionen geprägt und hat seit jeher Politik als Abgleich unterschiedlicher Interessen verstanden. Ein schönes Beispiel dafür ist unser Vernehmlassungssystem, welches es allen interessierten Interessensgruppierungen erlaubt, zu einem neuen Gesetz vor dem parlamentarischen Prozess Stellung zu nehmen. Unser Milizsystem baut auf der offenen Interessenvertretung und dem dauernden Abgleich unterschiedlicher Interessen auf, weil wir keine Parlamentarier wollen, die sich abgehoben im Elfenbeinturm um das Gute, Schöne, Wahre unseres Landes kümmern. Misstrauisch sollten wir nicht bei Interessensvertretern werden, die Partikularinteressen vertreten. Misstrauisch sollten wir werden, wenn „der Dienst am Allgemeinwohl“ eingefordert wird, ohne dass dieser spezifiziert wird.
Der direkte Abgleich der politischen Interessen zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist in den letzten zwanzig Jahren aber immer schwieriger geworden. Wirtschaftsvertreter sind nicht mehr in der Politik aktiv und in Bern haben wir mindestens ein Halbberufsparlament. Politik und Wirtschaft sind auseinandergedriftet, die Gründe dafür sind vielfältig. In die entstandene Lücke sind professionelle Brückenbauer getreten, die als Lobbyisten zwischen den Welten der Politik, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft übersetzen und vermitteln. WWF, Greenpeace, Gewerkschaften, economiesuisse, Bauernverband, Pharmabranche und viele andere sind über eigene inhouse-Lobbyisten oder beauftragte Agenturen in Bundesbern vertreten und nehmen gegenüber Parlament, Verwaltung, Aufsicht und den Medien ihre Interessen wahr. Aus Sicht der Firmen, Verbände und NGO ist das nicht nur Kür, sondern auch Pflicht: das Obligationenrecht verlangt beispielsweise vom Verwaltungsrat einer Firma, dass er das politische und gesellschaftliche Umfeld einer Unternehmung überblickt und das Unternehmen darin günstig positioniert.
Früher sassen die Firmenchefs direkt im Parlament und in den Verbänden, heute mandatieren sie dazu professionelle Lobbyisten, welche als Mandats- und Honorarnehmer den schlechten Ruf der klandestinen „hired guns“ haben, die im Dunklen an den Strippen der Macht ziehen. Dabei gibt es wohl kaum eine Dienstleistungsbranche, die mehr im Rampenlicht steht und transparenter ist, als die Lobbyisten: Am Ort mit der wohl höchsten Mediendichte der Schweiz – in der Wandelhalle in Bern – arbeitet die überwiegende Mehrheit nach den Verhaltensgrundsätzen der Branche, legt gegenüber den Parlamentarieren ihre Kunden offen und arbeitet moralisch integer. Dies gilt für sowohl für die inhouse-Lobbyisten der Firmen, Verbände und NGO als auch für die Agenturlobbyisten, die im Auftrag ihrer Kunden unterwegs sind.
Seit über sechs Jahren fordert die Branche zudem eine offizielle Akkreditierung für Lobbyisten im Bundeshaus, analog der Akkreditierung der Bundeshausjournalisten. Damit einher ginge eine Offenlegung der Mandate der Lobbyisten. Das Parlament wollte diese Akkreditierung nicht und hält bis heute am auch in der Branche ungeliebten „Götti-System“ der Zutrittsausweise fest. Wenn nun medial prominent die Verjagung der Lobbyisten aus dem Bundestempel gefordert wird, lässt sich aus Sicht Branche dazu festhalten: Der Wert der ominösen Zutrittsausweise zum Bundeshaus für die tägliche Arbeit der Lobbyisten wird massiv überschätzt. In unserem direktdemokratischen System findet Lobbying überall und immer statt, nicht nur während der Session und nicht nur im Bundeshaus.
Wer die Lobbyisten verteufeln und aus dem Bundeshaus werfen will, der bedenke: Viele parlamentarische Geschäfte wären für unsere Milizpolitiker ohne die Übersetzungsarbeit und Komplexitätsreduktion durch Lobbyisten gar nicht mehr zu bewältigen. Lobbyisten üben eine wichtige Aufgabe im politischen Prozess aus. Diese Arbeit in der Nähe der Macht bedingt aber verantwortungsvolles Handeln und Transparenz: Wirtschaft, Gesellschaft und Politik sind gut beraten, die ethisch und qualitativ nach hohen Standards arbeitenden Lobbyisten von den schwarzen Schafen auseinanderzuhalten: Sei es durch eine offizielle Akkreditierung durch das Parlament oder durch die Berücksichtigung der Verbandsmitgliedschaft im Bund der PR-Agenturen der Schweiz (BPRA) und/oder der Schweizerischen Public Affairs Gesellschaft (SPAG): Die Mitgliedschaft in diesen Verbänden ist ein Qualitätslabel für Lobbyisten und Auftraggeber wie Parlamentarier tun gut daran, nur mit diesen Lobbyisten zusammenzuarbeiten. Zudem ist wohl die soziale und mediale Kontrolle der Lobbyisten nirgends grösser als dort, wo sie heute schon anzutreffen sind: In der Wandelhalle.
hier übrigens ein taufrischer artikel aus portugal über den dortigen «status» - scheint europaweit ein thema zu sein.
http://canelapr.com/public-affairs-regulation-experiences-boost-in-portugal/
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