Jul
01

Transparenz ist bisweilen anstrengend

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Transparenz in der politischen Kommunikation ist bisweilen anstrengend: Auch wenn man zutiefst davon überzeugt ist, dass sie richtig ist (gerade bei Public Affairs-Agenturen wie derjenigen des Autors), kommen einem bisweilen Zweifel, wenn sich zum Beispiel zwei Sonntage hintereinander ein journalistischer Wadenbeisser in der offen gelegten Mandatsliste festgebissen hat. Man ist dann versucht, diejenigen Kollegen zu beneiden, welche traditionell-diskret unterwegs sind und sich dafür weniger über qualitativ zweifelhafte Sonntagsblätter aufregen müssen. Ein aktuelles Fallbeispiel aus unserem Hause:

Beat Schmid ist ein Journalist mit vielen Hüten: Enthüller, stellvertretender Chefredaktor des “Sonntag” und – seit Neustem auch Jäger der verlorenen Lobbyisten-Geschichten. Vor Wochenfrist landete er einen unglaublichen Scoop: Beat Schmid enthüllte, dass unsere Agentur bei zwei Mandaten, die wir seit 4 resp. 6 Jahren (sic!) begleiten dürfen und wie alle transparent auf unserer Website führen, Interessenskonflikte haben könnten. Das magere Geschichtchen gab trotz schluddrig hingemalter Infografik und angriffiger Anspielungen so wenig her, dass es mitten im Wirtschaftsteil versteckt werden musste und weder online geschaltet wurde noch von irgendwem aufgegriffen wurde.

Altmodisch wie wir in unserer Agentur sind, hätten wir uns mit Beat Schmid trotzdem gerne ausgesprochen – immerhin stellte er einige recht kesse Behauptungen in den Raum und bösartigere Berufskollegen hätten ihm flugs eine Verleumdungsklage angehängt. Aber: Beat Schmid musste so viel recherchieren und arbeiten, dasser die ganze Woche keine Zeit fand, auf unser Mail zu reagieren – bis Freitagnachmittag: Da wollte er zwar nicht über seinen Artikel im letzten “Sonntag” reden, sondern präsentierte flugs die nächste, ebenfalls gut abgehangene Geschichte, zu welcher er – hop hop – ein weiteres Quote von mir wollte:

Beat Schmid, oder die Quelle die ihn füttert, hat herausgefunden, dass ich im März 2011 (sic!) einer von 13 Autoren eines economiesuisse-Positionspapiers zur ICT-Landschaft Schweiz war (“Digitale Agenda 2020″), welches von 17 Organisationen erarbeitet worden war (wirklich schwierig war das nicht, sind doch alle Co-Autoren mit Foto aufgeführt). In einem von 12 Kapiteln widmete sich die “Digitale Agenda 2020″ auch der Medien- und Kulturpolitik und darin wird auf zwei Zeilen auch die SRG kritisiert (ein Kapitel, welches der Co-Autor vom Verlegerverband schrieb). Eine Bombenstory, fand Beat Schmid am Freitagnachmittag. Warum eine Bombenstory? Einfach deshalb, weil mein Agenturpartner die SRG in ihren Public Affairs – Aktivitäten unterstützt (notabene startete dieses Mandat erst nach Fertigstellung der Digitalen Agenda).

Einzig, der immer noch vom Bericht der letzten Woche leicht verschnupfte Lobbyist wollte nicht mitspielen – ich signalisierte Beat Schmid am Freitagabend und am Samstag früh in zwei Mails deutlich, dass ich zuerst mit ihm die letzte Geschichte besprechen wolle, bevor wir über eine neue Story reden und dass dies nichts mit Gesprächsverweigerung, aber sehr viel mit Vertrauensverhältnis zu tun habe – schliesslich geht es darum, mit einem Journalisten über ein Mandatsverhältnis zu einem Kunden zu sprechen. Beat Schmid stellte sich auf den Standpunkt, wenn ich ein Problem mit seinem letzten Artikel habe, könne ich mich ja bei ihm melden – und schreibt flugs im aktuellen “Sonntag”, dass mir heute die Mitautorschaft an der “Digitalen Agenda 2020″ peinlich sei. Mitnichten: Peinlich ist nur Beat Schmids bemühende Suche nach Geschichten, die keine sind – ein Armutszeugnis für einen stellvertretenden Chefredaktor des “Sonntag”.

Transparenz ist bisweilen anstrengend. Es lohnt sich aber dennoch, an ihr festzuhalten. Die Beat Schmids dieser Welt werden uns davon nicht abhalten.

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Kommentare

  1. Thomas sagt:

    Ohje, ohje. Da wird einem beim Lesen Angst und Bange. Was sagt ein solches Vorgehen über die Qualität des heutigen Journalismus’? Habe ich keine Story, mache ich mir eine und suche mir am Besten noch ein Opfer aus, das durch Transparenz, Professionalität und Fairness auffällt?

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