Archiv für Ständerat
Enttäuschender Entscheid der staatspolitischen Kommission des Ständerates: Die Kommission will – anders als ihre nationalrätliche Schwesterkommission – kein Transparenz-Register für Lobbyisten. Eine Akkreditierung für Lobbyisten, welche das bisherige Badgesystem ablösen würde, wäre ein Garant für Transparenz. So müssten akkreditierte Lobbyisten ihre Mandate resp. ihre Auftraggeber offenlegen. Die Kommission befürchtet einmal mehr eine Lobbyistenschwemme und bezweifelt, dass es möglich ist, „brauchbare Kriterien für die Zulassung von Lobbyisten zu finden“. Damit ist die parlamentarische Initiative von Andrea Caroni (FDP) noch nicht gescheitert, hat jedoch einen empfindlichen Dämpfer erlitten.
Zu diesem Entscheid passt auch die Ablehnung einer weiteren Initiative, welche noch mehr Transparenz beim Interessenregister der Räte schaffen wollte. Der Ständerat scheint nach wie vor kein allzu grosses Musikgehör bei Fragen der Transparenz in der Politik zu haben.
Die staatspolitische Kommission des Ständerates beugt sich morgen Montag über die Lobbytransparenz-Initiative von Nationalrat Andrea Caroni, welche ein Akkreditierungssystem für Lobbyisten samt Offenlegung deren Mandate fordert. Die Vorbehalte der Ständerätinnen und Ständeräte gegenüber dieser Initiative werden gross sein, hat sich die kleine Kammer doch noch nie als besondere Befürworterin von progressiven Transparenzbemühungen gezeigt.
Die staatspolitische Schwester-Kommission des Nationalrates (SPK-N) unterstützte die Initiative Caroni bereits im Mai mit 16 zu 6 Stimmen deutlich und befürwortete damit eine offizielle Akkreditierung für Lobbyisten. In ihrer Medienmitteilung schrieb die Kommission damals, sie anerkenne „den Lobbyismus als legitimes Element einer funktionierenden Demokratie“. Allerdings müsse er in geregelten Bahnen stattfinden und transparenter werden. Sowohl der Berufsverband SPAG als auch der Branchenverband BPRA haben im Vorfeld namens der Public Affairs-Branche die Unterstützung der parlamentarischen Initiative Caroni empfohlen und sich damit für ein Akkreditierungssystem ausgesprochen.
Nun darf man gespannt sein, wie sich morgen die ständerätliche Kommission entscheidet. Die Vorteile einer Akkreditierungslösung, wie sie die Initiative Caroni fordert, liegen eigentlich auf der Hand:
- Transparenz über Auftraggeber und/oder Arbeitgeber
- Unabhängigkeit des Ratsmitglieds resp. der Lobbyisten (Entkoppelung vom Göttisystem)
- Professionalisierung des Systems (Transparenz, Zulassungsbedingungen, Sanktionsmöglichkeiten)
Sollten beide staatspolitischen Kommissionen die parlamentarische Initiative Caroni unterstützen, könnte die federführende Kommission des Nationalrates direkt mit dem Gesetzgebungsprozess beginnen, resp. der Verwaltung oder den Parlamentsdiensten Aufträge erteilen, um anschliessend ihrem Rat einen Erlassentwurf vorlegen zu können.
Der Ständerat führt die elektronische Abstimmung ein – 20 Jahre nach Einführung der ersten Anlage im Nationalratsaal. Die in den Medien breit ausgewalzten Zählpannen generierten einen derartigen Druck auf die kleine Kammer, dass dieser Entscheid unausweichlich wurde. Mit sichtbarem Unbehagen beugten sich die Damen und Herren Ständeräte gestern dem Transparenz-Imperativ.
Auch wenn sich trefflich darüber streiten lässt, ob Transparenz (k)ein Selbstzweck sei oder ob die politische Kultur jetzt leide oder nicht : Es ist nicht einzusehen, weshalb die Abstimmungsergebnisse der kleinen Kammer nicht elektronisch erhoben und der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden sollen. Es handelt sich dabei ja durchaus nicht um ein neumodisches Experiment, sondern um eine Abstimmungsmethode, welche seit 1993 in der grossen Kammer ohne Konflikte und Widersprüche praktiziert wird. Mit diesem Entscheid wird der Ständerat lediglich zum europäischen Normalfall – nichts mehr, aber auch nichts weniger.
Noch ein Wort zur speziellen politischen Kultur im Ständerat: Die viel beschworene “chambre de réflexion” verändert sich immer mehr zu einer “normalen zweiten Kammer”: Der Ständerat ist in der schweizerischen Ausprägung des Zweikammersystems eine gleichwertige zweite Kammer mit denselben Aufgaben wie der Nationalrat, im Gegensatz zum Beispiel zu Österreich, wo die kleine Kammer primär bei Verfassungsgesetzen oder Staatsverträgen in Erscheinung tritt. Aus dieser Optik mag man dem Ständerat eine qualitativ hochwertige “Reflexions”-Funktion weiterhin wünschen, ein Grund für eine gesonderte Behandlung bei der Abstimmungsmethode ist das jedoch nicht. Die Reflexion ist durchaus auch elektronisch möglich.
Gastbeitrag von Ständerat Bruno Frick (CVP/SZ)
Überraschungen gibt es nach 18 Jahren Ständeratsarbeit noch immer. Diese Sommersession war die aufreibendste. Nicht nur in meiner Erfahrung, sondern seit Bestehen des Ständerates. Während dreier Wochen tägliche Sitzungen und Beratungen. Sie beginnen morgens in der Regel um sieben Uhr und enden abends nach acht Uhr. Kaum Pausen, etwas zu essen. Und fragen Sie mich bitte nicht, wie das Wetter in Bern die vergangenen drei Wochen war. Ich weiss nur, dass ich meinen Regenmantel nur einmal anzog.
Was ist denn los in Bern? Ich stelle drei Gründe fest: Viele grosse Geschäfte sind gleichzeitig reif geworden, doch der Ständerat neigt neuerdings ebenfalls zu Hyperaktivität und vor allem zu Geschwätzigkeit. Noch nie habe ich erlebt, dass so viele anspruchsvolle und gewichtige Geschäfte im Ständerat in einer Session gleichzeitig anfielen: grosse Mehrwertsteuer-Reform, Arbeitslosenversicherung, AHV-Revision, Kulturförderung und Pro Helvetia, Dauerbrenner Krankenversicherung, Aktienrecht. Hinzu kommen zwei Volksinitiativen und zahlreiche weitere Geschäfte, die vorbesprochen und beraten sein sollen.
Zahl der Lobbyisten steigt
Noch nicht genug. Selbst Ständerätinnen und Ständeräte zeigen sich neuerdings hyperaktiv. Mehr als achtzig persönliche Vorstösse (Motionen, Postulate und interpellationen) von Ratsmitgliedern sind zu beraten. Wenn jeder im Schnitt nur eine Viertelstunde beansprucht, werden daraus zwanzig Sitzungsstunden.
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