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68% der Österreicher glauben, dass Lobbying vor allem den grossen Konzernen nützt. Nur 27% sehen einen Lobbying-Nutzen für Klein- und Mittelständische Unternehmen (KMU). Dies ergab die jährliche Befragung der österreichischen KMU durch Lusak Consulting und des österreichischen Gewerbevereins (ögv). Bei den befragten KMU-Führungskräften sind die Einschätzungen noch dramatischer: sie sehen zu 93% die Konzerne, zu 75% die internationale Finanzwirtschaft und zu 68% „Politik/Regierung“ als primäre Lobby-Nutznießer und die KMU mit 38% als „unterversorgt“ bezüglich Lobbying.  Bevölkerung und KMU-Führungskräfte wünschen sich laut dieser Umfrage, dass die KMU mehr Lobbying betreiben sollen. Dramatisch ist die Entwicklung im 3-Jahresvergleich: Waren es 2008 noch 56% der Österreicher, die glauben, dass für die KMU zu wenig Lobbying betrieben wird, so waren es 2010 schon 64%. Bei den KMU-Führungskräften waren es 2010 bei diesem Punkt sogar 92%.

Der österreichische Gewerbeverein (ögv) titelt auf seiner Website: „Klein- und Mittelbetriebe werden immer ohnmächtiger und verärgerter“. Der Verein, der gemäss seiner byline „Interessensvertretung für Industrie, Gewerbe, Handel und freie Berufe“ betreibt und das „unabhängig seit 1839“ sieht Handlungsbedarf: Gemeinsam mit verschiedenen KMU-Partnerorganisationen will er nun mit speziellen Lobbying-Workshops, Coachings und Projekten „dem Wirtschafts-Mittelstand sowie deren Kommunal/Regionalpartnern zu vermehrtem individuellen Erfolg“ verhelfen. So will der KMU-Verband „den Lobbyisten das Lobbying wegnehmen“, ohne genauer zu präzisieren, was damit gemeint ist.

Wie sieht das in der Schweiz aus? Mit den österreichischen Umfrageergebnissen konfrontiert, äussert sich Hans-Ulrich Bigler, der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes (sgv) mit einem positiven Fazit für die schweizerischen KMU: Der sgv überprüfe laufend die Zielerreichung ihrer Lobbying-Bemühungen anhand von qualitativen Auswertungen von Vorlagen sowie mittels eines verbandseigenen „KMU-Rankings“. Gemessen werden dabei die gewichteten Positionen aller während der laufenden Legislatur für den sgv wichtigen 400 Vorlagen und inwiefern die Parlamentarier diese Position in der Abstimmung übernommen haben. Dabei zeigt sich laut Bigler, dass FDP und SVP die sgv-Positionen in über 75% aller Vorlagen übernommen haben. Die EDU mit 73% und die BDP mit über 63% bzw. die CVP mit knapp 60%. sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler zeigt sich zufrieden: „Diese Werte zeigen die Effektivität des sgv-Lobbyings“.

Anscheinend kann das KMU-Lobbying in der Schweiz – zumindest was den institutionellen Teil über den Verband betrifft – eine grössere Wirkung im Ziel zu entfalten, als bei unseren Nachbarn.

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Die KMU’s in der Schweiz und in Europa sind von der zunehmenden Regulierungsdichte und damit immer stärker von der Politik betroffen. Die Einflussnahme auf diese politischen Entscheide, also das Lobbying, trauen sich die meisten KMU’s hingegen nicht zu – oder vernachlässigen es schlicht: 75% der österreichischen Klein- und Mittelbetriebe betreiben wenig bis gar kein Lobbying (Befragung von 134 österreichischen KMU’s durch Lusak Consulting), die Situation in Deutschland und der Schweiz dürfte ähnlich sein. In persönlichen Gesprächen weisen KMU-Inhaber oft darauf hin, dass sie sich – im Gegensatz zu Grosskonzernen – keine Inhous-Lobbyisten oder Public Affairs-Abteilungen und erst recht keine externe Agentur leisten können. Lobbying, so die landläufige Meinung, ist etwas für multinationale Firmen mit grossen Budgets. KMU’s vertrauen auf den eigenen Branchenverband oder arrangieren sich.

Dabei gehört politische Interessenvertretung für KMU’s, welche sich im politischen und regulatorischen Umfeld bewegen zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht. Ein „Stand by“-Lobbying lässt sich schon auf einfache und wenig aufändige Art und Weise installieren: Die regelmässige Beobachtung der Themen, welche im nationalen Parlament behandelt werden, kann zur Not sogar der Inhaber oder ein Geschäftsleitungsmitglied quartalsweise vornehmen (in der Schweiz viermal pro Jahr vor den jeweiligen Parlamentssessionen, in Deutschland vor den jeweiligen Plenardebatten). Zusammen mit einem rudimentären Medienmonitoring hat man bereits ansatzweise ein taugliches Issues Monitoring etabliert. Das ist, mit etwas Mut zur Lücke, sicher keine perfekte, aber eine durchaus taugliche Lösung.

So ist man vorbereitet, bei Bedarf rechtzeitig den eigenen Berufs- oder Branchenverband kontaktieren zu können. Dieser ist nämlich für KMU’s die ideale Anlaufstelle, um im Falle eines operativen Lobbyprojektes rasch und effizient etwas für eigene Branche erreichen zu können. Bei Bedarf können sich auch einige KMU’s zu einer temporären Interessengemeinschaft zusammenschliessen, die – mit oder ohne externe kommunikative Unterstützung – ad hoc Lobbyarbeit betreiben kann und sich nach geführter Schlacht wieder auflösen kann. Solche Interessengemeinschaften („advocacy groups“) haben die Form eines Vereins oder können auch ganz formlos agieren. Sie haben den Vorteil, dass sie gegenüber der Politik sehr glaubwürdig auftreten können, da sie im Namen einer Gruppe oder Branche und nicht nur namens einer Firma sprechen können.

Categories : Lobbying
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