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In der Online-Ausgabe des deutschen Magazins Cicero fragt Timo Stein vordergründig provokativ “Lobbyisten haben die Politik fest im Griff – wird dies zur Gefahr für die Demokratie?” Was zuerst als ein weiteres Lobbyisten-Bashing daher kommt, stellt sich zuletzt als engagiertes Plädoyer für mehr Transparenz im Lobbying heraus. – Insbesondere, als Stein zum Schluss kommt:
“Transparenz ist bei der Bekämpfung der Lobbyismus-Auswüchse von zentraler Bedeutung. (…) Auch die Lobbyisten könnten von Transparenz profitieren, sie verlören den Ruf des Unseriösen und auch der ihnen oftmals anhaftende verschwörungstheoretische Schleier könnte so gelüftet werden.”
Wenngleich der ganze Beitrag von verschwörungstheoretischen Ängsten motiviert scheint, ist an dieser Schlussfolgerung nichts auszusetzen. Dennoch störe ich mich an der hier präsentierten Verwendung des Begriffs “Lobbying”. Das angeführte Beispiel einer durchaus diskutablen, dennoch geschickten Einflussnahme einer Interessengruppierung auf das Drehbuch einer beliebten Vorabend-Soap im deutschen Fernsehen etwa sehe ich keineswegs als typische Lobbying-Leistung – zumindest in einer Verwendung dieses Begriffs wie wir ihn verstehen. Es ist vielmehr ein Beispiel von modernem integriertem Campaigning – also weniger “Lobbying 2.0″, sondern vielmehr “PR 2.0″ oder “Campaigning 2.0″. Auch wenn Lobbying eine Schlüsseldisziplin im Campaigning darstellt.
Ich rege daher an, auch mehr Transparenz und vor allem eben mehr Präzision in der Diskussion rund um Lobbying und politische Einflussnahme generell sowie um politische Kommunikation, integrierte PR und Campaigning walten zu lassen.
Die USA liessen sich Zeit, den Umgang der Lobbyisten im Parlament zu regeln: Erst 1995 erliess der US-amerikanische Kongress den sog. „Lobbying Disclosure Act” (LDA), welcher Lobbyisten verpflichtet, sich bei den Parlamentsdiensten halbjährlich zu registrieren. Unter dem Einfluss des Skandals um den Lobbyisten Jack Abramoff wurde im Frühling 1996 zudem der “Legislative Transparency and Accountability Act” erlassen. Darin wurden u.a. Geschenke und Einladungen zu Essen und Reisen für Parlamentarier verboten. Dieses Gesetz wurde 1998 technisch angepasst: Nun waren registrierte Lobbyisten verpflichtet, ihre grösseren Einkünfte anzugeben sowie die Gesetze, bei denen sie Einfluss nahmen. Auf der Website des Senates kann jedermann die deklarierten Einkünfte und Auftraggeber der akkreditierten Lobbyisten einsehen. Neben dem offiziellen Lobbyregister gibt es analoge Register von NGO’s, welche die Daten des offiziellen Lobbyregisters separat publizieren und ergänzen. Das bekannteste ist dasjenige von opensecrets.org, dem „center for responsive politics”. Zusammenfassen kann gesagt werden, dass die USA ihr unverkrampftes Verhältnis zu den Lobbyisten durch eine maximale Transparenz geregelt hat, die aber offensichtlich eine Vielzahl von Nischen offen lässt. Es wird interessant sein zu beobachten, inwieweit Präsident Obama sein Versprechen, die Lobbyisten stärker an die Kandare zu nehmen, auch tatsächlich umsetzen wird.
Unklare Transparenz-Diskussion in der EU erst am Start
Die Debatte um Kontrolle und Registrierung von Lobbyisten bei den EU-Institutionen ist noch sehr jung: Sim Kallas, EU-Kommissar für Verwaltung, Audit und Betrugsbekämpfung hat am 3. März 2005 in einer Rede an der Nottingham University Business School erstmals die Idee einer Initiative für mehr Transparenz vorgestellt – die „European Transparency Initiative“ (ETI). Erst am 23. Juni 2008 hat die EU-Kommission ein freiwilliges Lobbyisten-Register eröffnet, das die Beziehungen zwischen Lobbys und Kommission transparenter machen soll.