Archiv für Diskussion
In der Online-Ausgabe des deutschen Magazins Cicero fragt Timo Stein vordergründig provokativ “Lobbyisten haben die Politik fest im Griff – wird dies zur Gefahr für die Demokratie?” Was zuerst als ein weiteres Lobbyisten-Bashing daher kommt, stellt sich zuletzt als engagiertes Plädoyer für mehr Transparenz im Lobbying heraus. – Insbesondere, als Stein zum Schluss kommt:
“Transparenz ist bei der Bekämpfung der Lobbyismus-Auswüchse von zentraler Bedeutung. (…) Auch die Lobbyisten könnten von Transparenz profitieren, sie verlören den Ruf des Unseriösen und auch der ihnen oftmals anhaftende verschwörungstheoretische Schleier könnte so gelüftet werden.”
Wenngleich der ganze Beitrag von verschwörungstheoretischen Ängsten motiviert scheint, ist an dieser Schlussfolgerung nichts auszusetzen. Dennoch störe ich mich an der hier präsentierten Verwendung des Begriffs “Lobbying”. Das angeführte Beispiel einer durchaus diskutablen, dennoch geschickten Einflussnahme einer Interessengruppierung auf das Drehbuch einer beliebten Vorabend-Soap im deutschen Fernsehen etwa sehe ich keineswegs als typische Lobbying-Leistung – zumindest in einer Verwendung dieses Begriffs wie wir ihn verstehen. Es ist vielmehr ein Beispiel von modernem integriertem Campaigning – also weniger “Lobbying 2.0″, sondern vielmehr “PR 2.0″ oder “Campaigning 2.0″. Auch wenn Lobbying eine Schlüsseldisziplin im Campaigning darstellt.
Ich rege daher an, auch mehr Transparenz und vor allem eben mehr Präzision in der Diskussion rund um Lobbying und politische Einflussnahme generell sowie um politische Kommunikation, integrierte PR und Campaigning walten zu lassen.
Die “lobbykritische” Transparenz-Organisation LobbyControl hat Ende Oktober die Betaversion von “Lobbypedia” ins Netz gestellt, nach eigenen Angaben ein “unabhängiges, lobbykritisches Online-Lexikon”. LobbyControl sammelt darin “Wissen, Daten, Fakten und Zusammenhänge über die Einflussnahme auf Politik und Öffentlichkeit”. Sie wollen dies “sachlich, fair und belegbar” machen, auch wenn der Absender natürlich nicht gerade für Neutralität steht. Zurzeit sind drei Themenportale zu Bau/Immobilien, Finanzmarkt und “Seitenwechsel” (personelle Wechsel zwischen Regierung/Verwaltung und PA-Agenturen/Industrie) im Aufbau, alle drei mit einem starken Bezug zu Deutschland. Lobbypedia bleibt sicher in unseren Bookmarks und eventuell wird das Online-Lexikon ja tatsächlich ein unverichtbares Nachschlagewerk für an der politischen Kommunikation Interessierte – sofern die heren Absichten der Sachlichkeit, Fariness und Belegbarkeit eingehalten werden.
Der Blog Wandelhalle.ch versteht sich als Diskussionsplattform für Themen aus dem Umfeld der politischen Kommunikation. Er richtet sich nicht nur an aktive Kommunikationsfachleute, sondern auch an alle interessierten Kreise aus Politik, Wirtschaft, öffentliche Verwaltung und Gesellschaft.
Offiziell heute am 1. September 2009 lanciert, nimmt er sich auch schwerpunktmässig der Transparenz-Diskussion um das Lobbying in der Schweiz an. Die redaktionelle Verantwortung übernehmen die beiden Initianten Andreas Hugi (Furrer.Hugi&Partner) und Markus Kaufmann (complizen). Es ist unser erklärtes Ziel, aktuelle und relevante Themen möglichst kontrovers diskutieren zu können.
Hierfür werden auch Beiträge von Gastautoren auf diesem Blog publiziert. Die Diskussion soll transparent und öffentlich geführt werden. Transparenz ist denn auch unser Credo für unsere Arbeit in der politischen Kommunikation.