Archiv für Demokratie

Aus aktuellem Anlass werfen wir uns wieder einmal für unsere Branche in die Bresche: Ein Plädoyer für die Nützlichkeit, ja Notwendigkeit der Lobbyisten (Auszug aus dem Artikel “Politikberatung in der Schweiz” von Andreas Hugi, erschienen in: “Politikberatung in Oesterreich“).

Im Gegensatz zum generellen Misstrauen gegenüber Lobbyisten in der breiten Öffentlichkeit geniessen professionelle Interessenvertreter im Polit-Establishment der Schweiz seit jeher eine grosse Akzeptanz. Dies hängt eng mit dem Verhältnis der Schweizerinnen und Schweizer zu ihrem Staat zusammen, der in der Regel als etwas Einzuschränkendes angesehen wird. Die amerikanische Verfassung, die 1848 der schweizerischen Bundesverfassung als Vorlage gedient hatte, atmet das Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen und das schweizerische Staatsverständnis geht in die gleiche Richtung. Ein schönes Beispiel dafür ist das Vernehmlassungssystem (ein vorparlamentarisches Anhörungsverfahren), welches es allen Interessengruppierungen (Verbände, Parteien, Vereine, aber auch Kommunen und Kantone) erlaubt, zu einem neuen Gesetz vor dem parlamentarischen Prozess Stellung zu nehmen und damit das Gesetzgebungsverfahren zu beeinflussen. Auch das schweizerische Referendums- und Initiativrecht ist eine starke Interventionsmöglichkeit, wie geschaffen für politische Lobbygruppierungen. In der Schweiz wird der politische Prozess als Abgleich von unterschiedlichen Interessen gesehen und nicht als Führung durch eine politischen Elite.

Dass Parlamentarier im schweizerischen Milizsystem gleichzeitig Verbandssekretäre, Unternehmer, Angestellte, Gewerkschafter oder Bauernvertreter sind, wird in der Schweiz nicht als Problem, sondern als Chance gesehen. Die Schweizer Parlamentarier vertreten eigene Interessen, die sie sorgsam in einer Liste der Interessensbindungen offenlegen, und das ist für die Mehrzahl der Bürger dieses Landes auch in Ordnung. Dies bedeutet aber auch, dass die Schweizerinnen und Schweizer an die Politik nicht den Anspruch haben, dass sie „das Allgemeinwohl“ vollumfänglich erkennen und vertreten kann. Und hier kommen wir zur Akzeptanz der Lobbyisten durch das politische Establishment: Der Schweizer Publizist Beat Kappeler hat dies in seiner unvergleichlichen Art wie folgt formuliert (Referat an der SPAG-Generalversammlung vom 9. März 2004 in Bern):

„Denn wenn es in der Politik keine direkt einleuchtenden, allgemeinen Vernunftzustände nach Art von Rousseau oder Hegel gibt, dann kann nur das Wechselspiel der Interessen und ihr Abgleichen den Weg des politischen Prozesses darstellen und zum legitimen Resultat führen. In dieses Abwägen aber dürfen alle gesellschaftlichen Kräfte eingreifen, sie sind geradezu aufgerufen. Lobbyisten öffnen diesen demokratischen Meinungsbildungsprozess auch gegenüber den Organisationen, Firmen und Gruppen, die nicht bereits fest im politischen System verankert sind“.

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In der Online-Ausgabe des deutschen Magazins Cicero fragt Timo Stein vordergründig provokativ “Lobbyisten haben die Politik fest im Griff – wird dies zur Gefahr für die Demokratie?” Was zuerst als ein weiteres Lobbyisten-Bashing daher kommt, stellt sich zuletzt als engagiertes Plädoyer für mehr Transparenz im Lobbying heraus. – Insbesondere, als Stein zum Schluss kommt:

“Transparenz ist bei der Bekämpfung der Lobbyismus-Auswüchse von zentraler Bedeutung. (…) Auch die Lobbyisten könnten von Transparenz profitieren, sie verlören den Ruf des Unseriösen und auch der ihnen oftmals anhaftende verschwörungstheoretische Schleier könnte so gelüftet werden.”

Wenngleich der ganze Beitrag von verschwörungstheoretischen Ängsten motiviert scheint, ist an dieser Schlussfolgerung nichts auszusetzen. Dennoch störe ich mich an der hier präsentierten Verwendung des Begriffs “Lobbying”. Das angeführte Beispiel einer durchaus diskutablen, dennoch geschickten Einflussnahme einer Interessengruppierung auf das Drehbuch einer beliebten Vorabend-Soap im deutschen Fernsehen etwa sehe ich keineswegs als typische Lobbying-Leistung – zumindest in einer Verwendung dieses Begriffs wie wir ihn verstehen. Es ist vielmehr ein Beispiel von modernem integriertem Campaigning – also weniger “Lobbying 2.0″, sondern vielmehr “PR 2.0″ oder “Campaigning 2.0″. Auch wenn Lobbying eine Schlüsseldisziplin im Campaigning darstellt.

Ich rege daher an, auch mehr Transparenz und vor allem eben mehr Präzision in der Diskussion rund um Lobbying und politische Einflussnahme generell sowie um politische Kommunikation, integrierte PR und Campaigning walten zu lassen.

Das Wahljahr 2011 hat eine weitere Volksinitiative: Die “Transparenzinitiative” fordert die Offenlegung sämtlicher Parlamentariereinkünfte. Sämtliche Einkünfte, Nebeneinkünfte und Spenden sollen durch die Parlamentarier offen gelegt und durch die Parlamentsdienste kontrolliert werden. Zudem soll jeder Parlamentarier in den Rats- und Kommissionsberatungen seine allfälligen Interessenbindungen zum besprochenen Geschäft offenlegen. Lanciert wurde die Initiative gemäss Sonntagsblick durch Ostschweizer Exponenten der Jungen SVP, allen voran Nationalrat Lukas Reimann (SVP/SG). Auf der offiziellen Website der Initiative gibt sich das Komitee hingegen bedeckt und kommuniziert lediglich eine Postfachadresse in Wil sowie den Namen des Vizepräsidenten des Komitees.

Nationalrat Lukas Reimann lässt sich in der Sonntagszeitung zitieren, die Initiative verbiete niemandem das Lobbying. “Das Volk hat aber ein Recht zu wissen, welche Beschlüsse aufgrund von welchen Beratungen und Bezahlungen zustande kommen”. Die schweizerischen National- und Ständeräte sind heute verpflichtet, im “Register der Interessenbindungen” ihre Tätigkeiten in Führungs- und Aufsichtsgremien sowie Beiräten und ähnlichen Gremien von schweizerischen und ausländischen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des privaten und des öffentlichen Rechts anzugeben. Zudem müssen sie Beratungs- oder Expertentätigkeiten für Bundesstellen, dauernden Leitungs- oder Beratungstätigkeiten für schweizerische und ausländische Interessengruppen sowie ihre Mitwirkung in Kommissionen und anderen Organen des Bundes angeben. Nicht erfasst werden mit dieser Regelung Mandate als Berater oder Rechtsanwalt. Ebenfalls nicht erfasst wird die Höhe der Saläre resp. Vergütungen.

Die politisch interessierte Öffentlichkeit in der Schweiz scheint zunehmend für Fragen der Transparenz in unserem politischen System sensibilisiert zu sein. Es wird interessant werden, diese politische Debatte weiterzuverfolgen. Die Transparenzinitiative rüttelt an bisher unangetasteten Freiheiten unserer Milizparlamentariern, blendet aber gleichzeitig das Thema der Parteienfinanzierung aus, für die es in der Schweiz keine Regelung gibt.

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Unser Milizsystem hat es in sich: In den Parlamenten unseres Landes sitzen mehrheitlich Volksvertreter, die ihr politisches Mandat im Nebenamt ausüben. Hauptberuflich sind diese Parlamentarier in Organisationen oder Unternehmungen tätig – als Angestellte oder Unternehmer.  Ganz automatisch und völlig natürlich sind sie somit auch Lobbyisten – in mehr oder weniger ausgeprägtem Masse. xuahgdsv3e

Wirtschaftliche Interessenvertretung und -bindung sind seit jeher ein fester Bestandteil unseres demokratischen Systems. Mehr noch: Es scheint in unserem Staatskonzept sogar explizit so gewollt, dass wirtschaftliche und andere Interessen von entsprechend geprägten Parlamentariern ganz direkt vertreten werden. Politik im Nebenamt hat denn auch eine schöne Tradition in der Schweiz. Manch ein Unternehmer hat sich in der Vergangenheit auf dem politischen Parkett engagiert und diese Tätigkeit auch als sozialverantwortliches Engagement oder als bürgerschaftliches Partizipieren seiner Unternehmung verstanden.  Politisches Mitwirken gehört also seit jeher zu den typischen Ausprägungen von Unternehmensbürgerschaft – neudeutsch: Corporate Citizenship. Read More→

Sep
10

Diskretion vs. Heimlichtuerei

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Bricht Wandelhalle.ch mit der Forderung nach mehr Transparenz im Lobbying mit der traditionellen Diskretion dieses Berufsstandes? Auf die entsprechende Frage von Simone Wagner von PolitReport kann ich nur erwidern: Diskretion ist im Kommunikationsberuf generell eine Tugend – in PR, Public Affairs und Lobbying gleichermassen. Auftragsbedingte Diskretion ist jedoch nicht zu verwechseln mit verdächtiger Heimlichtuerei. Professionelle Verschwiegenheit geht in meinen Augen sehr gut einher mit gelebter Transparenz und offener Diskussion wichtiger Themen im beruflichen Umfeld. Transparenz prägt auch ein differenzierteres Bild von politischer Kommunikation und Lobbying in diesem Lande. Und dies nützt unserer Meinung nach dem Image unseres Berufs, speziell der Lobbyisten, genauso wie dem allgemeinen Verständnis für die demokratischen Prozesse in diesem Lande.

– Das vollständige Interview zum Launch von Wandelhalle.ch auf NZZ Online

Aug
20

Ein Plädoyer für Lobbyisten

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Aktuell ist in verschiedenen Medien wieder einmal Lobbyisten-Schelte angesagt: Die öffentlichkeitsscheuen, intransparenten Einflüsterer in der Wandelhalle mauscheln, schmieren und vertuschen was das Zeug hält – könnte man meinen, wenn man Blick, Sonntag und Co. liest. Als Lobbyist, der zu dieser Berufsbezeichnung steht, wage ich es, eine Lanze für meinen Berufsstand zu brechen: Unsere schweizerische Vernehmlassungsdemokratie ist wie geschaffen für politische Lobbygruppierungen und pressure groups. Das wurde bewusst so angelegt und ich behaupte, unsere Politiker haben deshalb mit Lobbyisten in der Regel kein Problem, sondern nehmen sie im Gegenteil als nützlich und sinnvoll wahr. Wir Schweizer sehen den politischen Prozess in der Schweiz sowieso eher als Abgleich von unterschiedlichen Interessen, denn als Heilsbringungsprozess einer Kaste. Dass Parlamentarier gleichzeitig Verbandssekretäre, Unternehmer, Angestellte, Gewerkschafter oder Bauernvertreter sind, ist in unserem Verständnis des Milizsystems kein Problem. Unsere Parlamentarier vertreten eigene Interessen, die sie sorgsam in einer Liste der Interessensbindungen offenlegen, und das ist für die Mehrzahl der Bürger unseres Landes so in Ordnung. Dies bedeutet aber auch, dass wir an die Politik nicht den Anspruch haben, dass sie „das Allgemeinwohl“ vollumfänglich erkennen und vertreten kann.

Und hier kommen wir zur Nützlichkeit der Lobbyisten: Wenn es denn so ist, dass nicht nur eine „erleuchtete Kaste“ elitärer Politiker weiss, was gut für unser Land und die Bürger ist, dann kann nur das Wechselspiel von Interessen die für das Land „gute Politik“ bringen und legitimierte Resulate hervorbringen. An diesem Wechselspiel können und sollen aber alle Organisationen, die sich betroffen fühlen, teilnehmen. Lobbyisten öffnen diesen demokratischen Meinungsbildungsprozess zudem auch gegenüber denjenigen Organisationen, Firmen und Gruppen, die nicht bereits fest in unserem politischen System verankert sind. Das stört die wenigsten Politiker – die kennen diese Mechanik zu genüge. Stossen tun sich daran nur einige Medienschaffende. Zusammengefasst: Lobbyisten sind nützlich und legitim. Sie sind Bestandteil eines demokratischen Meinungsbildungsprozesses. Man kann sogar zugespitzt sagen: Das Mitwirken von Organisationen und Firmen an der Ausgestaltung des sie beeinflussenden und regulierenden politischen Umfeldes ist nicht nur legitim, sondern gehört zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht.

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Gastbeitrag von Lukas Golder, gfs.bern

Geld ist ein Machtmittel, aber die Demokratie ist nicht käuflich. In diesem Zusammenhang sollte man auch mit populären Irrtümern rund um Lobbyismus aufräumen. Zwei Gegenthesen.

1. Populärer Irrtum: Bezahlte Interessenvertretung ist korrupt

Medien berichten über Interessenvertretung manchmal so, als ob Bezahlung für eine bestimmte professionelle Stellungnahme und Einflussnahme in das politische Geschehen das Gleiche wie Korruption ist. Sie sollten es besser wissen: Ich wünsche auch Medienschaffenden, dass sie für ihre professionelle Leistung bezahlt werden. Und ich hoffe, dass Medienschaffende genauso wie Lobbyisten nicht korrupt sind. Der Fehlschluss ist vorgelagert. Wenn sich Akteure entscheiden, Geld in die Hand zu nehmen, um ein politisches Anliegen zu vertreten, dann tun sie dies nicht, um zu korrumpieren, sondern um ihrem eigenen Interesse genügend Gehör zu verschaffen. Es gibt zwar einen vermuteten Zusammenhang zwischen “lauter” und “überhaupt” gehört werden und der Interessenrealisation. Aber ein Akteur, der in einem fairen Geschäft legitime Mittel in die Hand nimmt, um seinem Interessen Gehör zu verschaffen, tut nicht, weil er etwas zu verbergen hat. In dem Fall wählt er nämlich tatsächlich besser die Korruption. In so einem Prozess sind “Have-Nots” schlechter gestellt: Interessen, die sich nicht mit Geld finanzieren lassen. Deshalb braucht es auch Korrektive: Nichtregierungsorganisationen oder freiwillig politische Aktive im Milizsystem und Medien, welche solchen Interessen Gehör verschaffen. Auch Medien machen nicht etwas völlig anderes als Lobbyisten. Sie verschaffen Anliegen Gehör. Manchmal helfen sie auch mit, Interessen zu realisieren. Das wichtigste Korrektiv ist aber das Volk. Wenn es sich von gewissen Interessen nicht überzeugen lässt, dann stellt es sich als letzte Instanz dagegen. Das ist schon oft passiert. Im Wettstreit der Meinungen und Interessen spielen Medien und Lobbyisten eine wichtige Rolle. In einem frühen Prozess der Meinungsbildung ist das gut so. Dass auch Interessen vertreten sind, wo Gewinne und damit Geld erwirtschaftet wird, muss gar nicht schlecht sein. Neben einem starken politischen System braucht es auch eine starke Wirtschaft, die Geld erwirtschaftet. Egal in welchem Sektor und mit welchem Produkt. Die Realität zeigt, dass vor allem junge und innovative Branchen auf professionelle Lobbyarbeit zurückgreifen, weil sie noch nicht fest in das politische System eingebunden sind. Wer also auf Lobby-Profis schiesst, meint eigentlich junge und innovative Wirtschaftszweige.

Meine Antithese zum ersten populären Irrtum: Unternehmen, die innovativ, erfolgreich und an der Schweizer Gesellschaft interessiert sind, entscheiden sich oft für eine bezahlte Interessenvertretung. Korruption ist der verbotene Weg der Erfolglosen.

2. Populärer Irrtum: Lobbyismus ist intransparent.


Seit Jahren vertreten wir die These, dass Campaigning und Lobbyismus enger zusammen wachsen müssen. Der Teil der öffentlichen Meinungsbildung über Massenmedien und der Interessenbündelung in einer frühen Phase des öffentliche Handelns wachsen immer näher zusammen. Macht gewonnen haben in diesem Prozess primär die Massenmedien. Erfolgreiche Lobbyisten arbeiten heute demnach nicht mehr nur in der Lobby. Sondern sie begeben sich in die grosse, offene Arena der massenmedialen Meinungsbildung. Selbstverständlich legen sie dabei nicht immer alle Karten offen. Politik ist ein komplizierteres strategisches Spiel als Poker und oft geht es auch um mehr als nur um Geld. Deshalb verwundert es nicht, wenn manchmal gewisse Karten verdeckt bleiben oder sogar noch ein Ass im Ärmel steckt. Statt dem Irrtum der fehlenden Transparenz zu erliegen, würden Massenmedien besser nach den versteckten Karten suchen. Das macht mehr Spass.

Meine Antithese zum zweiten populären Irrtum: Lobbyisten, die innovativ, erfolgreich und an der Schweizer Gesellschaft interessiert sind, operieren clever und nicht von Anfang an völlig transparent. Sie setzen aber verstärkt auch in einer frühen Phase der Meinungsbildung auf den öffentlichen Meinungsmarkt.

Categories : Lobbying
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