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In Österreich tritt 2013 ein Lobbying-Gesetz in Kraft, das sowohl in- als auch ausländische Organisationen unter bestimmten Voraussetzungen zur Registrierung in einem vom österreichischen Justizministerium geführten Verzeichnis verpflichtet. Betroffen sind auch Unternehmen, die ihren Sitz ausserhalb von Österreich haben und in Österreich Lobbying betreiben. Zu beachten ist, dass auch Kontakte zur ständigen Vertretung Österreichs in Brüssel unter diese Registrierungspflicht fallen. Die renommierte österreichische Public Affairs-Agentur Kovar & Köppl hat dazu ein White Paper verfasst, welches die praktische Umsetzung in Unternehmen und Vereinen unterstützen soll.
Gestern Dienstag, wurde in den Räumlichkeiten des Österreichischen Parlaments in Wien der Sammelband “Politikberatung in Österreich – Herausforderungen. Strategien. Perspektiven” vorgestellt. Herausgeber Feri Thierry veröffentlicht mit dem Fachbuch ein Standardwerk, das sich zum ersten Mal mit der Politikberatungsszene in Österreich beschäftigt und auch Autoren aus den USA, Grossbritannien, Ungarn, Deutschland und der Schweiz zu Wort kommen lässt (Youtube-Video des Abends, Quelle: pressetext.at).
Auf 300 Seiten zeigen Experten und Berater welche Leistungen Politikberatung umfasst, in welchen Bereichen sie zum Einsatz kommt und welche internationalen Trends den Markt prägen. Die Bandbreite der Themen reicht von Strategiefragen über Meinungsforschung, Spin Doctoring und Lobbying bis zu Organisationsentwicklung und rechtlichen Rahmenbedingungen.
Das Werk ermöglicht Einblicke in eine junge Beratungsindustrie mit einem vielfältigen und hochdifferenzierten Leistungsportfolio. “Politikberatung in Österreich” reflektiert aber auch Entwicklungen, zeigt Hintergründe auf und macht Qualitätsstandards für eine auch in Österreich dynamisch wachsende Branche deutlich. Während die Wirtschaft schon seit langem professionelle Beratungsdienstleistungen in Anspruch nimmt, steigt nun auch im öffentlichen Sektor die Nachfrage nach strategischer Politikberatung.
Laut Thierry erlebt Österreichs Politikberatungs-Szene einen grundlegenden Umbruch. Neben traditionellen “Einflüsterern”, “Ratgebern” und sonstigen “alten Hasen” hat eine neue Generation von Beratern die Bühne betreten. Mehr als 1.000 professionelle Politikberater bieten in Österreich bereits Beratungsleistungen im politischen Bereich an.
Das Buch richtet sich an Akteure und Kunden von Politikberatungsleistungen, für Studierende in entsprechenden Ausbildungen (zum Beispiel Kommunikationsberufe, Public-Management-Ausbildungen) und für die interessierte Öffentlichkeit, die erfährt, wie Politikberatung ihre Wahrnehmung von öffentlichen Institutionen, Politikern und NGOs verändert. Wir durften das Kapitel “Politikberatung in der Schweiz” beisteuern und freuen uns, zu einem interessanten und lesenswerten Standardwerk einen Beitrag leisten zu können. (Quelle: pressetext.at / ah).
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In der Online-Ausgabe des deutschen Magazins Cicero fragt Timo Stein vordergründig provokativ “Lobbyisten haben die Politik fest im Griff – wird dies zur Gefahr für die Demokratie?” Was zuerst als ein weiteres Lobbyisten-Bashing daher kommt, stellt sich zuletzt als engagiertes Plädoyer für mehr Transparenz im Lobbying heraus. – Insbesondere, als Stein zum Schluss kommt:
“Transparenz ist bei der Bekämpfung der Lobbyismus-Auswüchse von zentraler Bedeutung. (…) Auch die Lobbyisten könnten von Transparenz profitieren, sie verlören den Ruf des Unseriösen und auch der ihnen oftmals anhaftende verschwörungstheoretische Schleier könnte so gelüftet werden.”
Wenngleich der ganze Beitrag von verschwörungstheoretischen Ängsten motiviert scheint, ist an dieser Schlussfolgerung nichts auszusetzen. Dennoch störe ich mich an der hier präsentierten Verwendung des Begriffs “Lobbying”. Das angeführte Beispiel einer durchaus diskutablen, dennoch geschickten Einflussnahme einer Interessengruppierung auf das Drehbuch einer beliebten Vorabend-Soap im deutschen Fernsehen etwa sehe ich keineswegs als typische Lobbying-Leistung – zumindest in einer Verwendung dieses Begriffs wie wir ihn verstehen. Es ist vielmehr ein Beispiel von modernem integriertem Campaigning – also weniger “Lobbying 2.0″, sondern vielmehr “PR 2.0″ oder “Campaigning 2.0″. Auch wenn Lobbying eine Schlüsseldisziplin im Campaigning darstellt.
Ich rege daher an, auch mehr Transparenz und vor allem eben mehr Präzision in der Diskussion rund um Lobbying und politische Einflussnahme generell sowie um politische Kommunikation, integrierte PR und Campaigning walten zu lassen.
Vertreter der EU-Kommission und des Parlaments nahmen Anfang Mai ihre Gespräche über mehr Transparenz im Brüsseler Lobbying wieder auf. Sie waren durch die Umbesetzung in der Kommission – nun ist der slowakische Kommissar und Vizepräsident der Kommission Maros Sefcovic zuständig – unterbrochen worden. „Wir sind nicht gegen Lobbyisten als solche. Wir brauchen sie, um Entscheidungen zu treffen. Aber wir wollen wissen, mit wem wir reden und wen Lobbyisten repräsentieren“, sagte Isabelle Durant, die grüne Vizepräsidentin des Europaparlamentes.
Kommissar Sefcovic´ Pressesprecher Michael Mann erklärte, ein verpflichtendes Register sei von der Kommission nicht geplant. Man denke eher an ein gemeinsames Lobbyisten-Register von Kommission und Parlament, wodurch es attraktiver werde, sich auch freiwillig zu registrieren. Maros Sefcovic selbst appellierte an Think Tanks, sich in größerem Ausmaß im freiwilligen Register einzutragen. Schließlich seien auch sie in den EU-Entscheidungsprozessen „sehr einflussreich“. (Quellen: Europolitics und onpublicaffairs.com)
Die in diesem Blog auch schon vorgestellte EU-Transparenzorganisation Alter-EU hat kürzlich das Buch “Bursting the Brussels Bubble” herausgegeben, welches sich kritisch mit dem Lobbying auf EU-Ebene und der mangelnden Transparenz befasst (das Buch kann auch kostenlos als pdf heruntergeladen werden). Ausführlich zeichnen verschiedene Autoren von Greenpeace, Lobbycontrol und anderen lobbykritischen NPO in kurzen Beiträgen das Bild des “Brüsseler Lobbyparadieses”. Insbesondere die Banken und die Pharmabranche (Stichwort REACH!) kommen erwartungsgemäss schlecht weg. Trotz der naturgemäss kritischen (oder besser: kritisierenden) Grundhaltung der Beiträge, lohnt es sich auch für Lobbyisten, in die kostenlose pdf-Version reinzuschmökern und einzelne Beiträge zu lesen – zum Beispiel den Artikel “journalists caught in the lobbyists web” von Marc Gruber (European Federation of Journalists).
Zwei Jahre nachdem die EU-Kommission ein freiwilliges Lobbyregister eingerichtet hat, sind erst 40% der in Brüssel tätigen Public Affairs-Agenturen dort eingetragen. Dies zeigt eine kürzlich publizierte Studie der Transparenz-Organisation ALTER-EU. Im Vorfeld der Lancierung des freiwilligen EU-Registers wurden Befürchtungen – vor allem von Seiten “lobbykritischer” NPO – laut, ein freiwilliges Register genüge nicht. ALTER-EU nimmt die Ergebnisse ihrer Studie zum Anlass, die Freiwilligkeit erneut zu kritisieren.
Zudem verschärft ALTER-EU die Tonalität der Diskussion: Sie publiziert eine “blacklist“, der in Brüssel tätigen Public Affairs-Agenturen, welche nicht im Lobbyregister eingetragen sind und empfiehlt der EU-Kommission sowie den EU-Parlamentariern, keinen Kontakt mit nicht eingetragenen Agenturen zu pflegen. ALTER-EU hofft, dass ihre schwarze Liste ein wichtiges Arbeitsinstrument von Kommission und Parlament im Umgang mit Lobbyisten werde.
Nach Zählung von ALTER-EU sind erst 112 Agenturen und Anwaltskanzleien, welche Public Affairs-Dienstleistungen offerieren, im freiwilligen Lobbyregisetr der EU-Kommission eingetragen. In diesem Register legen die Agenturen ihre Mandate, welche in Brüssel betreut werden, offen und machen Angaben zur Höhe der Mandate. ALTER-EU kritisiert, dass insbesondere grosse und einflussreiche Agenturen und Anwaltskanzleien (noch) nicht eingetragen seien.
Die Initianten dieses Blogs setzen sich für mehr Transparenz in der politischen Kommunikation in der Schweiz ein – speziell bei Lobbyisten. Transparenz wird aber auch immer mehr von Parlamentariern und von Regierung und Verwaltung gefordert. Das ist natürlich gerechtfertigt. Bisweilen treiben aber diese Transparenzbemühungen und –Forderungen auch seltsame Blüten: Ab und zu scheint die US-amerikanische Attitüde auch in Europa Überhand zu nehmen, möglichst viele Daten zu generieren, diese auf einen Haufen zu werfen und dieses Produkt dann Transparenz zu nennen.
So erzählt das EU-Newsportal Euractiv mit bewunderndem Unterton die Geschichte des grüne EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer, der als Vorbild für Transparenz mit gutem Beispiel vorangehen will und seit vergangenem Herbst alle seine Treffen mit Verbänden, Institutionen und Lobbyisten auf seiner Website öffentlich macht. Die Idee hat der Abgeordnete Bütikofer anscheinend direkt aus dem Weissen Haus importiert: Dort werden auf Anweisung von Präsident Obama seit vergangenem September (fast) alle Besucher des Weissen Hauses veröffentlicht, mit der Folge dass sich nun auf der White House – Seite 25’000 Besuchereinträge finden und sich der geneigte Leser nun fragen kann, was dieser Datenfriedhof genau mit Transparenz zu tun hat.
Auch in Deutschland gibt es zwei leuchtende Beispiele „gläserner Abgeordneter“: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Joachim Pfeiffer stellt schon seit Jahren eine Übersicht seiner Termine mit Lobbyisten ins Netz: und der SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber bezeichnet sich sogar selbst als „der gläserne MdB“ und stellt nicht nur seine Gesprächstermine, sondern auch seine Steuererklärungen und Reisen ins Netz.
Der interessierte Leser surft nun mit voyeuristischem Interesse durch die Kalender der Abgeordneten und die Besucherlisten des Weissen Hauses und bleibt danach leicht ratlos zurück: Aha, das ist jetzt also Transparenz.
Die “Deutsche Gesellschaft für Politikberatung” (degepol) – der deutsche Public Affairs-Verband analog der schweizerischen SPAG - hat Mitte Dezember ein Eckpunktepapier für ein verpflichtendes Lobbyregister in Deutschland verabschiedet und publiziert (pdf). Bereits 2008 hatte degepol zusammen mit Transparency International Deutschland ein gemeinsames Papier zur Interessenvertretung vorgelegt. Das jetzige Papier fordert ein umfassendes und verpflichtendes Lobbyregister in Deutschland. Kernpunkte des Papiers sind die Einbeziehung aller Interessenvertreter – explizit auch von Anwälten, die Offenlegung der Finanzierung von Lobbyarbeit, wirksame Sanktionen bei Verstößen sowie die Anerkennung eines Verhaltenskodexes. Neu ist der Vorschlag, die Kontrolle einem Interessenvertretungsbeauftragten beim Deutschen Bundestag zu übertragen.
„Wichtig ist, dass Wettbewerbsgleichheit herrscht und alle Interessenvertreter in eine solche Regelung einbezogen werden. Dies schließt Anwälte, Think Tanks, aber auch zum Beispiel Kirchen mit ein. Es werden dann diejenigen geschützt, die sich an die gesetzlichen und ethischen Standards halten“, wird der degepol-Vorsitzende Dominik Meier in der Medienmitteilung des Verbandes zitiert.
Eine kürzlich publizierte Umfrage zu Lobbying in EU-Staaten ergab erwartete aber auch lesenswerte Resultate: Transparenz sei das „Leitmotiv“ in den Ergebnissen, vermeldete Burson-Marsteller, deren Brüsseler Büro diese Umfrage bei Spitzenbeamten und Parlamentariern in 15 EU-Staaten durchgeführt hatte: Aggressivität und Intransparenz seien die Hauptkritikpunkte an den Lobbyisten. Gleichzeitig sei Transparenz der Hauptgrund für Spitzenbeamte und Parlamentarier, mit Lobbyisten und NGO’s zu sprechen.
Die PR- und PA-Profis von Burson-Marsteller leiten aus ihrer Umfrage auch 12 Ratschläge „for efffective Lobbying“ ab, wobei „be transparent about your interests“ erwartungsgemäss der erste Tipp ist. Ratschläge wie „understand the legislative process“ oder „think politically“ tönen beim ersten Durchlesen banal, könnten aber auch hierzulande noch manchem Lobbyisten ins Stammbuch geschrieben werden.
Insgesamt lohnt sich die Lektüre der Umfrageergebnisse für interessierte Berufsleute, Verwaltungsmitarbeiter und Parlamentarier. Schade ist, dass die Schweiz als Nicht-EU-Staat nicht auch in der Umfrage erfasst worden ist. Vielleicht holt dies Burson-Marsteller Schweiz ja noch nach.
Die EU-Kommission will das seit einem Jahr als “Versuch” bestehende EU-Lobbyregister ausbauen und weiter verschärfen, wie EU-Kommissar Sim Kallas in einem Interview mit der Zeitschrift “European Voice” sagt. Das bestehende Register lasse zu viel Interpretationsspielraum zu. So können Lobby-Agenturen zum Beispiel die Höhe ihrer Mandate in Euro oder in Prozent ihres Umsatzes beziffern.
Das Lobbyregister der EU-Kommission wurde im Rahmen der “European Transparency Initiative” von Sim Kallas ins Leben gerufen, ist jedoch nicht abgestimmt auf ein parallel existierendes Register des EU-Parlamentes, welches nicht öffentlich zugänglich ist. Ende April haben sich EU-Kommission und Parlament jedoch auf die Grundzüge eines gemeinsamen Registers geeinigt. Ob das Dossier in der laufenden Präsidentschaft Schwedens Priorität haben wird, ist jedoch mehr als ungewiss.