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In der Online-Ausgabe des deutschen Magazins Cicero fragt Timo Stein vordergründig provokativ “Lobbyisten haben die Politik fest im Griff – wird dies zur Gefahr für die Demokratie?” Was zuerst als ein weiteres Lobbyisten-Bashing daher kommt, stellt sich zuletzt als engagiertes Plädoyer für mehr Transparenz im Lobbying heraus. – Insbesondere, als Stein zum Schluss kommt:
“Transparenz ist bei der Bekämpfung der Lobbyismus-Auswüchse von zentraler Bedeutung. (…) Auch die Lobbyisten könnten von Transparenz profitieren, sie verlören den Ruf des Unseriösen und auch der ihnen oftmals anhaftende verschwörungstheoretische Schleier könnte so gelüftet werden.”
Wenngleich der ganze Beitrag von verschwörungstheoretischen Ängsten motiviert scheint, ist an dieser Schlussfolgerung nichts auszusetzen. Dennoch störe ich mich an der hier präsentierten Verwendung des Begriffs “Lobbying”. Das angeführte Beispiel einer durchaus diskutablen, dennoch geschickten Einflussnahme einer Interessengruppierung auf das Drehbuch einer beliebten Vorabend-Soap im deutschen Fernsehen etwa sehe ich keineswegs als typische Lobbying-Leistung – zumindest in einer Verwendung dieses Begriffs wie wir ihn verstehen. Es ist vielmehr ein Beispiel von modernem integriertem Campaigning – also weniger “Lobbying 2.0″, sondern vielmehr “PR 2.0″ oder “Campaigning 2.0″. Auch wenn Lobbying eine Schlüsseldisziplin im Campaigning darstellt.
Ich rege daher an, auch mehr Transparenz und vor allem eben mehr Präzision in der Diskussion rund um Lobbying und politische Einflussnahme generell sowie um politische Kommunikation, integrierte PR und Campaigning walten zu lassen.
Unser Milizsystem hat es in sich: In den Parlamenten unseres Landes sitzen mehrheitlich Volksvertreter, die ihr politisches Mandat im Nebenamt ausüben. Hauptberuflich sind diese Parlamentarier in Organisationen oder Unternehmungen tätig – als Angestellte oder Unternehmer. Ganz automatisch und völlig natürlich sind sie somit auch Lobbyisten – in mehr oder weniger ausgeprägtem Masse. xuahgdsv3e
Wirtschaftliche Interessenvertretung und -bindung sind seit jeher ein fester Bestandteil unseres demokratischen Systems. Mehr noch: Es scheint in unserem Staatskonzept sogar explizit so gewollt, dass wirtschaftliche und andere Interessen von entsprechend geprägten Parlamentariern ganz direkt vertreten werden. Politik im Nebenamt hat denn auch eine schöne Tradition in der Schweiz. Manch ein Unternehmer hat sich in der Vergangenheit auf dem politischen Parkett engagiert und diese Tätigkeit auch als sozialverantwortliches Engagement oder als bürgerschaftliches Partizipieren seiner Unternehmung verstanden. Politisches Mitwirken gehört also seit jeher zu den typischen Ausprägungen von Unternehmensbürgerschaft – neudeutsch: Corporate Citizenship. Read More→
Bricht Wandelhalle.ch mit der Forderung nach mehr Transparenz im Lobbying mit der traditionellen Diskretion dieses Berufsstandes? Auf die entsprechende Frage von Simone Wagner von PolitReport kann ich nur erwidern: Diskretion ist im Kommunikationsberuf generell eine Tugend – in PR, Public Affairs und Lobbying gleichermassen. Auftragsbedingte Diskretion ist jedoch nicht zu verwechseln mit verdächtiger Heimlichtuerei. Professionelle Verschwiegenheit geht in meinen Augen sehr gut einher mit gelebter Transparenz und offener Diskussion wichtiger Themen im beruflichen Umfeld. Transparenz prägt auch ein differenzierteres Bild von politischer Kommunikation und Lobbying in diesem Lande. Und dies nützt unserer Meinung nach dem Image unseres Berufs, speziell der Lobbyisten, genauso wie dem allgemeinen Verständnis für die demokratischen Prozesse in diesem Lande.
– Das vollständige Interview zum Launch von Wandelhalle.ch auf NZZ Online…
Der Blog Wandelhalle.ch versteht sich als Diskussionsplattform für Themen aus dem Umfeld der politischen Kommunikation. Er richtet sich nicht nur an aktive Kommunikationsfachleute, sondern auch an alle interessierten Kreise aus Politik, Wirtschaft, öffentliche Verwaltung und Gesellschaft.
Offiziell heute am 1. September 2009 lanciert, nimmt er sich auch schwerpunktmässig der Transparenz-Diskussion um das Lobbying in der Schweiz an. Die redaktionelle Verantwortung übernehmen die beiden Initianten Andreas Hugi (Furrer.Hugi&Partner) und Markus Kaufmann (complizen). Es ist unser erklärtes Ziel, aktuelle und relevante Themen möglichst kontrovers diskutieren zu können.
Hierfür werden auch Beiträge von Gastautoren auf diesem Blog publiziert. Die Diskussion soll transparent und öffentlich geführt werden. Transparenz ist denn auch unser Credo für unsere Arbeit in der politischen Kommunikation.