Archiv für Mai, 2013

Die staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) befürwortet erwartungsgemäss eine offizielle Akkreditierung für Lobbyisten und möchte das heute geltende Badge-System ersetzen. Sie hat an ihrer heutigen Sitzung einer entsprechenden Initiative von FDP-Nationalrat Andrea Caroni mit 16 zu 6 Stimmen Folge gegeben. Die Initiative wird nun durch die ständerätliche Schwesterkommission behandelt, wo sie aber voraussichtlich einen schwereren Stand haben wird.

In ihrer heutigen Medienmitteilung schreibt die Kommission, sie anerkenne „den Lobbyismus als legitimes Element einer funktionierenden Demokratie“. Allerdings müsse er in geregelten Bahnen stattfinden und transparenter werden. Sowohl der Berufsverband SPAG als auch der Branchenverband BPRA haben im Vorfeld namens der Public Affairs-Branche die Unterstützung der parlamentarischen Initiative Caroni empfohlen und sich damit für ein Akkreditierungssystem ausgesprochen.

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Der politische Druck, den Zugang der Lobbyisten zum Parlamentsgebäude formal zu regeln, steigt. Die tatsächlichen Herausforderungen sind jedoch andere: Lobbyisten und Parlamentarier müssen – gerade in unserem Milizsystem – bezüglich Transparenz gleich geregelt werden. Und: Das stärkste Lobbying betreibt sowieso die Verwaltung. Dies das Fazit einer wissenschaftlichen Tagung zum Lobbyismus in der Schweiz.

Die Schweizerische Gesellschaft für Rechtsetzung (SGG) hat ihre diesjährige Jahrestagung am 23. Mai dem Thema „Lobbyismus“ gewidmet. Ein bunter Reigen von 12 Referenten sprach vor den 120 Teilnehmern aus Verwaltung, Wissenschaft und Kommunikationsbranche.

Von „Schleppern“ im „Badgebasar“

FDP-Nationalrat Andrea Caroni, Verfasser einer chancenreichen Lobbytransparenz-Initiative, schlug zu Beginn gleich einige markige Pfosten ein, als er die Parlamentarier als „Schlepper der Lobbyisten“ bezeichnete, da diese ihre Zutrittsbadges für den Zugang zur Wandelhalle an Lobbyisten abgeben. Dieses System (Caroni: „Badgebasar“) müsse schleunigst durch ein sauberes Akkreditierungssystem ersetzt werden. Die Herausforderung dabei sei, dass in unserem System eine “Einswerdung zwischen Politikern und Lobbyisten” herrsche. Caroni sprach auch vom „Lobbyparlamentarier“.

Die Verwaltung auf Lobbypfaden

Salome von Greyerz vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) wagte sich in der Folge auf das heikle Terrain des Umgangs der Verwaltung mit der Lobbyarbeit. Sie stellte zwar unmissverständlich klar, dass sie nicht darüber sprechen werde, ob und wie die Verwaltung selbst lobbyiere, es wurde im Verlaufe ihrer Ausführungen jedoch unmissverständlich klar, dass die Verwaltung teilweise tatsächlich das Selbstverständnis hat, direkten Einfluss im Parlament wahrzunehmen.  Interessant waren ihre Ausführungen zu den immer öfter stattfindenden informellen Anhörungen durch die Verwaltung (vor der eigentlichen Vernehmlassung), in welchen Verbände und Kantone frühzeitig „abgeholt“ werden sollen. Dass dieses Vorspuren nicht immer erfolgreich ist, zeigte die Referentin am Beispiel des Präventionsgesetzes auf. Von Greyerz: “Der frühzeitige Einbezug der Interessenvertreter ist keine Garantie für den Erfolg in der parlamentarischen Phase”.

Lobbyisten in direkter Konkurrenz zu den Medien

Lobbyst Stefan Wyer (Dr. Schenker Kommunikation) positionierte die Lobbyisten als direkte Konkurrenten der Medien, welche unter Umgehung der “vierten Macht” direkt mit den Politikern sprechen. Diese absolut zutreffende Analyse erklärt das bisweilen äusserst gespannte Verhältnis zwischen den Interessenvetretern und den Medienschaffenden. Wyer plädierte zudem für klare Lobbying-Spielregeln, sprach sich aber gegen eine staatliche Regulierung aus.

„Die Verwaltung macht die Gesetze“

Ueli Stückelberger, Direktor des Verbandes öffentlicher Verkehr (VöV) und ehemaliger Mitarbeiter der Bundesverwaltung, räumte brutal mit einigen liebgewordenen Illusionen in unserem Staatswesen auf: Die Verwaltung mache die Gesetze, nicht Parlament oder Bundesrat. Zudem lese lediglich ein Drittel der Parlamentarier die Gesetzesnovellen/Botschaften und Anträge dazu schrieben nicht die Parlamentarier, sondern die Verbände und wieder die Verwaltung. Die anwesenden Verwaltungsvertreter schwankten zwischen diskret-zustimmendem Nicken und leichter Empörung. François Baur, ständiger Delegierter der economiesuisse in Brüssel widerlegte die Vermutung, die Schweiz und deren Wirtschaft sei auf EU-Ebene nicht präsent. Sie ist es, wenn auch nur mit einer einzigen Person. Caroline Hess-Klein vom centre Egalité Handicap stellte zum Schluss des Vormittages die koordinierten Lobbyingaktivitäten der Behindertenorganisationen in der Schweiz vor.

In einer nachmittäglichen „carte blanche“ stellte Guy Krneta Lobbyingaktivitäten aus dem Kunstbereich vor und stellte en passant die spannende Frage, ob Michael Steiners Flüchtlings-Film in den Medien ebenso skandalisiert worden wäre, wenn er diesen Film für Amnesty International und nicht für economiesuisse gedreht hätte. Eine bemerkenswerte Aussage von jemandem, der nicht im Verdacht steht, economieuisse nahe zu stehen.

Schmiermittel des politischen Systems

Lorenz Bösch (BHP Hanser und Partner) bezeichnete – als ehemaliger Regierungsrat und heutiger Lobbyist – die Lobbyarbeit als „Schmiermittel des politischen Systems“ und attestierte dieser, dass sie  zu guten Lösungen beitragen kann. Der aktuellen Transparenzdebatte und der oftmals postulierten Angst vor zu starken Lobbyisten kann er nicht viel abgewinnen, da die Politiker und die Verwaltung ja selbst entscheiden, von welchen Lobbyisten sie sich beeinflussen lassen.

Lobbyisten: Eine gute Quelle für Journalisten

Markus Häfliger, Chef der NZZ-Bundeshausredaktion gestand, dass er mit Lobbyisten spreche – eine Aussage, welche ihn in den Augen so mancher „ethisch reiner“ Kollegen wohl komplett desavuiert. Als Journalist nehme er Informationen, woher er sie kriegen könne, meinte Häfliger – auch von Lobbyisten. Die Frage, wem diese Information nütze oder schade, dürfe ihn als Journalisten nicht interessieren, sofern die Information verifiziert sei. Er schob indes gleich ein „aber” nach: Der Lobbyist sei sehr wohl eine potentielle journalistische Quelle, aber eine die möglicherweise vergiftet sei.

Selbstregulierung durch die Branche?

Thomas Sägesser, Generalsekretär des Zuger Innendepartementes und Mitglied einer Arbeitsgruppe des Lobbyverbandes SPAG votierte für eine Selbstregulierung durch die Lobbyistenbranche: Die Branche habe ein ureigenes Interesse an Regeln. Nötig sei ein öffentlich einsehbares Register, ein Verhaltenskodex sowie Sanktionsmöglichkeiten (Zusammenfassung des Referates). Verwaltungsrechtler Felix Uhlmann, Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Zürich, unterstützte diese Haltung: Eine staatliche und somit strenge(re) Regulierung sei kein Garant für eine bessere Demokratie und der “interessanteste” Teil des Rechtsetzungsverfahrens, nämlich die vorparlamentarische Phase, sei weder in den „Vorbildern“ USA und EU noch in den Plänen bezüglich Lobbytransparenz in der Schweiz berhaupt nicht geregelt. Vor allem müsse vorab die Frage geklärt werden, wen man überhaupt regeln wolle: Die Lobbyisten oder die Belobbyierten (Parlamentarier)?

Das Fazit aus dieser Tagung: Der politische Druck, den Zugang der Lobbyisten zum Parlamentsgebäude formal zu regeln steigt. Die tatsächliche Herausforderungen sind jedoch andere: Die Transparenz bei Lobbyisten und Parlamentarier muss – gerade in unserem Milizsystem – analog geregelt werden. Und: Das stärkste Lobbying betreibt sowieso die Verwaltung.

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​Ex-Bundesräte sollen inskünftig während zwei Jahren keine bezahlten Auftrags- und Arbeitsverhältnisse mit Kapitalgesellschaften eingehen dürfen. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) hat Nägel mit Köpfen gemacht: Nachdem sie im Januar zwei parlamentarische Initiativen von links und rechts aufgenommen hatte, legt sie nun ein Bundesgesetz über die Karenzfrist für ehemalige Bundesratsmitglieder und oberste Kader der Bundesverwaltung vor.

Die vorgeschlagene zweijährige “Abkühlungsphase” bezieht sich jedoch nur auf Firmen, deren Tätigkeit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Aufgaben des betroffenen Departementsvorsteher steht oder die während der letzten vier Jahre für mehr als vier Millionen Franken Aufträge des Bundes erhalten haben.

Die Tatsache, dass Beamte oder Regierungsmitglieder in die Privatwirtschaft wechseln wird in den USA seit Längerem mit dem Schlagwort “revolving door” bezeichnet: Dieser sog. “Drehtüreffekt” wird nicht erst seit alt Bundesrat Leuenbergers Einsitz im Implenia-Verwaltungsrat auch in der Schweiz kritisch beobachtet. In Deutschland wird das Thema spätestens seit Gerhard Schröders Ablösung als Bundeskanzler und seinem Einstieg an die Spitze des Aufsichtsrates einer Tochterfirma der Firma Gasprom im Jahr 2005 heiss diskutiert. Eine Karenz-Regelung existiert hingegen nicht. Die lobbykritische Plattform LobbyPedia führt eine Übersicht der wichtigsten “Seitenwechsler” und plädiert für eine dreijährige “Abkühlphase” (Karenzfrist).

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