Archiv für September, 2012

Aus aktuellem Anlass werfen wir uns wieder einmal für unsere Branche in die Bresche: Ein Plädoyer für die Nützlichkeit, ja Notwendigkeit der Lobbyisten (Auszug aus dem Artikel “Politikberatung in der Schweiz” von Andreas Hugi, erschienen in: “Politikberatung in Oesterreich“).

Im Gegensatz zum generellen Misstrauen gegenüber Lobbyisten in der breiten Öffentlichkeit geniessen professionelle Interessenvertreter im Polit-Establishment der Schweiz seit jeher eine grosse Akzeptanz. Dies hängt eng mit dem Verhältnis der Schweizerinnen und Schweizer zu ihrem Staat zusammen, der in der Regel als etwas Einzuschränkendes angesehen wird. Die amerikanische Verfassung, die 1848 der schweizerischen Bundesverfassung als Vorlage gedient hatte, atmet das Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen und das schweizerische Staatsverständnis geht in die gleiche Richtung. Ein schönes Beispiel dafür ist das Vernehmlassungssystem (ein vorparlamentarisches Anhörungsverfahren), welches es allen Interessengruppierungen (Verbände, Parteien, Vereine, aber auch Kommunen und Kantone) erlaubt, zu einem neuen Gesetz vor dem parlamentarischen Prozess Stellung zu nehmen und damit das Gesetzgebungsverfahren zu beeinflussen. Auch das schweizerische Referendums- und Initiativrecht ist eine starke Interventionsmöglichkeit, wie geschaffen für politische Lobbygruppierungen. In der Schweiz wird der politische Prozess als Abgleich von unterschiedlichen Interessen gesehen und nicht als Führung durch eine politischen Elite.

Dass Parlamentarier im schweizerischen Milizsystem gleichzeitig Verbandssekretäre, Unternehmer, Angestellte, Gewerkschafter oder Bauernvertreter sind, wird in der Schweiz nicht als Problem, sondern als Chance gesehen. Die Schweizer Parlamentarier vertreten eigene Interessen, die sie sorgsam in einer Liste der Interessensbindungen offenlegen, und das ist für die Mehrzahl der Bürger dieses Landes auch in Ordnung. Dies bedeutet aber auch, dass die Schweizerinnen und Schweizer an die Politik nicht den Anspruch haben, dass sie „das Allgemeinwohl“ vollumfänglich erkennen und vertreten kann. Und hier kommen wir zur Akzeptanz der Lobbyisten durch das politische Establishment: Der Schweizer Publizist Beat Kappeler hat dies in seiner unvergleichlichen Art wie folgt formuliert (Referat an der SPAG-Generalversammlung vom 9. März 2004 in Bern):

„Denn wenn es in der Politik keine direkt einleuchtenden, allgemeinen Vernunftzustände nach Art von Rousseau oder Hegel gibt, dann kann nur das Wechselspiel der Interessen und ihr Abgleichen den Weg des politischen Prozesses darstellen und zum legitimen Resultat führen. In dieses Abwägen aber dürfen alle gesellschaftlichen Kräfte eingreifen, sie sind geradezu aufgerufen. Lobbyisten öffnen diesen demokratischen Meinungsbildungsprozess auch gegenüber den Organisationen, Firmen und Gruppen, die nicht bereits fest im politischen System verankert sind“.

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Sep
24

Kein Rauswurf der Lobbyisten

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Der Ständerat hat heute die parlamentarische Initiative von Ständerat Minder „Weniger Lobbyismus im Bundeshaus“ mit 22 zu 17 Stimmen knapp abgelehnt. Ständerat Minder forderte in seiner Initiative, dass „Lobbyisten keine dauerhaften Zutrittskarten mehr auszustellen“ seien und dass die Zutrittsbadges von den Ratsmitgliedern nur noch „je einem persönlichen Mitarbeiter sowie je einem Gast, der aus dem erweiterten Kreis seiner Familie stammt“, ausgestellt werden dürfen.

Die Mehrheit des Ständerates war der Meinung, diese Forderung führe zu weit. Die Mehrheit der Sprecher betonte aber auch, dass sie mit dem heutigen System der Zutrittsausweise unzufrieden sei. Namens der vorberatenden Kommission, welche knapp Ablehnung empfahl, verneinte Ständerätin Verena Diener (SP/ZH) die Frage, ob das Parlament sich vor den Lobbyisten schützen müsse. Die nächste Lobbyisten-Debatte wird wohl mit der Behandlung der parlamentarischen Initiative von Nationalrat Andrea Caroni (FDP) stattfinden – dannzumal im Nationalratssaal.

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Am Montag wird im Ständerat erneut eine Lobbyisten-Initiative von Ständerat Minder behandelt. Sie fordert, dass „Lobbyisten keine dauerhaften Zutrittskarten mehr auszustellen“ seien und dass diese berühmt-berüchtigten Zutrittsbadges von den Ratsmitgliedern nur noch „je einem persönlichen Mitarbeiter sowie je einem Gast, der aus dem erweiterten Kreis seiner Familie stammt“, ausgestellt werden dürfen.

Ständerat Minder will damit die geltende Usanz unterbinden, dass Lobbyisten sich mit einer für eine ganze Legislatur gültigen Zutrittskarte im nichtöffentlichen Teil des Parlamentsgebäudes bewegen können. Stattdessen schlägt er in der Begründung vor, dass sich die Lobbyisten „als Gast für einen oder mehrere Tage von einem Parlamentsmitglied durch die Räumlichkeiten begleiten lassen“ können, wie das bereits heute möglich ist. Neben dem Vorteil des  „reduzierten Lobbyistenbetriebes“ erhofft sich Ständerat Minder damit eine „erhöhte Präsenz der Parlamentarier im Ratssaal“.

Die staatspolitische Kommission des Ständerates hat sich anfangs Juli mit 3 zu 2 Stimmen und 5 Enthaltungen gegen die Initiative ausgesprochen und wollte es „weiterhin in der Verantwortung des einzelnen Ratsmitglieds belassen, wem es seine Zutrittskarten abgeben will.“

Die Initiative, die selbst nach Ansicht des Initianten im Ständerat chancenlos bleiben dürfte, bildet ein weiteres Kapitel in der seit Jahren andauernden Debatte um die Zutrittsregelung für Lobbyisten. Das nächste Kapitel wird wohl die Behandlung der parlamentarischen Initiative von Nationalrat Andrea Caroni bilden, welche eine offizielle Akkreditierungslösung verlangt – sofern Ständerat Minder in der Debatte am  Montag nicht bereits wieder den nächsten Vorstoss ankündigt.

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Die Liste der durch Parlamentarier vergebenen “Lobbypässe” ist seit Dezember 2011 auf der Website des Parlamentes verfügbar, wenn auch lediglich als pdf und nur für Kenner der Parlamentswebsite rasch auffindbar (Nationalrat resp. Ständerat: jeweils rechte Spalte: “Liste der Zutrittsberechtigten”).

Die Liste wird ungefähr monatlich aktualisiert und bereits haben erste grassroot-Bewegungen begonnen, daraus übersichtliche Tabellen- und einfache Datenbankabfragen zu generieren (z.B. der Verein “Transparenza” oder die Website “LobbyControl“). Daneben existieren branchenfokussierte Auswertungen (z.B. für das Gesundheitswesen) oder gar eine abonnierbare “Twitterer-Liste der Zutrittsberechtigten zum Schweizer Parlament” (erstellt von Claudio Kuster, dem persönlichen Mitarbeiter von Ständerat Thomas Minder). Dies Link-Liste gibt lediglich einen ersten Überblick und ist nicht abschliessend.

Der erste zaghafte Schritt des Parlamentes, die Liste der zutrittsberechtigten Lobbyisten, Gäste und persönlichen Mitarbeiter der eidg. Räte offenzulegen, hat also im NPO- und grassroot-Umfeld zu einer Vielzahl von Initiativen geführt, wie sie bis anhin vor allem aus den USA bekannt waren, wo Lobbytransparenz-Websites wie opensecrets.org eine Vielzahl von Abfragen und Monitorings ermöglichen.

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