Archiv für August, 2011

(ah.) Journalisten der Wochenzeitung The Sunday Times machten im März 2011 publik, dass sie als vorgebliche Lobbyisten dem österreichischen Europa-Abgeordneten Ernst Strasser angeboten hatten, ihn dafür zu bezahlen, wenn er in ihrem Sinne Änderungen bei geplanten EU-Richtlinien einbringen würde und dass Strasser und weitere Abgeordnete auf diesen vermeintlichen Deal eingestiegen seien. Der Rücktritt Strassers erfolgte gleichentags und setzte in Oesterreich eine politische Diskussion um Lobbying und Transparenz in Gang, die in einer Lobbyisten-Gesetzesnovelle mündete, über die noch diesen Herbst im Parlament debattiert werden soll. Wandelhalle.ch hat Feri Thierry, der als Lobbyist und Kommunikationsberater sowie Geschäftsführer der Thierry Politikberatung in Wien tätig ist, angefragt, das im Entstehen begriffene Lobbyinggesetz zu kommentieren. Feri Thierry leitet einen Lehrgang zu Public Affairs und ist Vortragender an verschiedenen Bildungsinstitutionen.

Von Feri Thierry, Wien.

Der Fall des österreichischen Europa-Abgeordneten Ernst Strasser im März dieses Jahres hatte enorme Auswirkungen auf die Innenpolitik des Landes: Neben dem Rücktritt des ÖVP-Delegationsleiter im Europäischen Parlament und den Turbulenzen für die Volkspartei hat die Justizministerin rasch den Entwurf eines “Lobbying-Transparenz-Gesetz” zur Diskussion gestellt, das die verpflichtende Eintragung aller Lobbyisten und Interessenvertreter vorsieht. Wenn es so auch tatsächlich beschlossen wird, dann wäre es, abgesehen von den USA, die strengste Regulierung für Lobbying weltweit. Erfreulich ist jedenfalls, dass wir nun über Interessenvertretung und ihren demokratiepolitischen Stellenwert grundsätzlich diskutieren. Die Vertretung von Interessen ist aus meiner Sicht eine legitime Form gesellschaftlichen Engagements. Sie ist auf verfassungsrechtlichen Prinzipien begründet und trägt zur Abschätzung möglicher Folgen von politischen Entscheidungen bei. Mehr Transparenz ist sinnvoll, um als Bürgerin/Bürger nachvollziehen zu können, wer auf welche politische Entscheidung Einfluss übt. Daher ist die Idee eines Interessenvertretungs-Registers (IVR) grundsätzlich zu begrüßen. Es soll alle Lobbyisten und ihre Aktivitäten abbilden.

Der Entwurf des Justizministeriums für dieses IVR bleibt indes auf halbem Weg stehen: Umfasst sind zwar alle Organisationen und Personen, die Interessen vertreten – also Unternehmen gleichermaßen wie Verbände, Kammern, Lobbyingagenturen und NGOs – allerdings gibt es in der Frage der Offenlegung von Informationen dann doch welche, die gleicher sind. Denn nach dem aktuellen Entwurf müssen nur Lobbyingagenturen angeben, in welchen Themen sie tätig werden, alle anderen vorher genannten müssen das nicht tun. Dieser Teil des IVR soll zwar nicht allen Menschen zugänglich sein, die Regelungen für die Einsichtnahme lassen aber breiten Missbrauch befürchten – und damit wären diese Informationen ohnehin wieder öffentlich.

Überdies soll es laut Entwurf des Justizministerium “Funktionsträgern”, also vereinfacht gesagt Politikern und Beamten, nicht erlaubt sein, während ihrer Tätigkeit als gewerbliche Interessenvertreter tätig zu sein. Für Unternehmen, Verbände, Kammern und NGOs dürfen sie aber sehr wohl lobbyieren und gleichzeitig ihre Funktion ausüben. Warum diese Unterscheidung? Wenn es problematisch erscheint, dass ein Abgeordneter oder eine Beamtin gleichzeitig in einer Lobbyingagentur beschäftigt ist, warum ist es dann in Ordnung, wenn die gleiche Person Chef-Lobbyist eines Telekom-Unternehmens oder Lobbyistin eines Pharma-Verbandes ist? Nicht zuletzt wäre aus meiner Sicht neben den Geldstrafen und der Streichungs-Androhung auch ein positives Element im IVR essenziell: Mit der Eintragung ins Register sollte auch die Ausstellung von Zugangsberechtigung zu Parlament und Ministerien sowie die gezielte Berücksichtigung bei Begutachtungsprozessen von Gesetzen verbunden sein. Das würde nicht nur das Register attraktiver machen, sondern auch einen weiteren Beitrag zur Transparenz der Tätigkeit von Interessenvertretern leisten.

Das IVR kann einen wertvollen demokratiepolitischen Beitrag leisten und für mehr Sensibilität in einer politisch bedeutsamen Branche sorgen. Nur eine Gleichbehandlung aller Interessenvertreter bringt tatsächlich Transparenz von politischen Entscheidungen. Und ein Register ist mit Sicherheit keine Antwort auf Problemfälle politischer Korruption. Daher kann dieses Gesetz nur ein Element von einem Maßnahmenbündel sein, die sich insbesondere der Unvereinbarkeit von politischen Funktionen und Nebentätigkeiten, der Parteienfinanzierung und der Korruptionsbekämpfung widmen.

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Der erstmals 2011 von Burson Marsteller Schweiz und dem Forschungsinstitut gfs.Bern publizierte „Lobbying Survey Switzerland“ formuliert sechs Trends zur Zukunft der Public Affairs-Beratung in der Schweiz, die wir als sehr lesenswert und beachtenswert beurteilen:
  1. Differenzierung der politischen Rollen: An verschiedensten Orten in der Gesellschaft entstehen Organisationseinheiten, die sich speziell mit dem Lobbying beschäftigen.
  2. Tendenz zur Etablierung von Standards, was Lobbyisten tun und lassen sollten, was ihre Kunden von ihnen erwarten dürfen und wo der Staat Grenzen der Einflussnahme setzt.
  3. Professionalisierung des Berufsstandes: Lobbying wird immer mehr zur zielorientierten und periodischen Tätigkeit.
  4. Lobbying wird zu einer normalen politischen Tätigkeit zwischen Intervention und Steuerung.
  5. Lobbying wird vermehrt von Interessenverbänden und Behörden betrieben.
  6. Funktion von Lobbying als Motor der Politik: Lobbying kann sehr wohl auch Initiierungs- und Thematisierungsprozesse in der Politik auslösen.
Diese sechs Trends decken sich weitgehend mit den Beobachtungen, welche der Branchenverband der führenden PR-Agenturen (bpra) in seinen jährlichen Markterhebungen seit zwei Jahren bei seinen Mitgliedern beobachtet: Neben dem klaren Trend zur Professionalisierung und zur Spezialisierung der Agenturtätigkeit wird zudem ein Trend zur Grösse bei den Schweizer Agenturen beobachtet.
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