Archiv für Februar, 2011

In der Online-Ausgabe des deutschen Magazins Cicero fragt Timo Stein vordergründig provokativ “Lobbyisten haben die Politik fest im Griff – wird dies zur Gefahr für die Demokratie?” Was zuerst als ein weiteres Lobbyisten-Bashing daher kommt, stellt sich zuletzt als engagiertes Plädoyer für mehr Transparenz im Lobbying heraus. – Insbesondere, als Stein zum Schluss kommt:

“Transparenz ist bei der Bekämpfung der Lobbyismus-Auswüchse von zentraler Bedeutung. (…) Auch die Lobbyisten könnten von Transparenz profitieren, sie verlören den Ruf des Unseriösen und auch der ihnen oftmals anhaftende verschwörungstheoretische Schleier könnte so gelüftet werden.”

Wenngleich der ganze Beitrag von verschwörungstheoretischen Ängsten motiviert scheint, ist an dieser Schlussfolgerung nichts auszusetzen. Dennoch störe ich mich an der hier präsentierten Verwendung des Begriffs “Lobbying”. Das angeführte Beispiel einer durchaus diskutablen, dennoch geschickten Einflussnahme einer Interessengruppierung auf das Drehbuch einer beliebten Vorabend-Soap im deutschen Fernsehen etwa sehe ich keineswegs als typische Lobbying-Leistung – zumindest in einer Verwendung dieses Begriffs wie wir ihn verstehen. Es ist vielmehr ein Beispiel von modernem integriertem Campaigning – also weniger “Lobbying 2.0″, sondern vielmehr “PR 2.0″ oder “Campaigning 2.0″. Auch wenn Lobbying eine Schlüsseldisziplin im Campaigning darstellt.

Ich rege daher an, auch mehr Transparenz und vor allem eben mehr Präzision in der Diskussion rund um Lobbying und politische Einflussnahme generell sowie um politische Kommunikation, integrierte PR und Campaigning walten zu lassen.

68% der Österreicher glauben, dass Lobbying vor allem den grossen Konzernen nützt. Nur 27% sehen einen Lobbying-Nutzen für Klein- und Mittelständische Unternehmen (KMU). Dies ergab die jährliche Befragung der österreichischen KMU durch Lusak Consulting und des österreichischen Gewerbevereins (ögv). Bei den befragten KMU-Führungskräften sind die Einschätzungen noch dramatischer: sie sehen zu 93% die Konzerne, zu 75% die internationale Finanzwirtschaft und zu 68% „Politik/Regierung“ als primäre Lobby-Nutznießer und die KMU mit 38% als „unterversorgt“ bezüglich Lobbying.  Bevölkerung und KMU-Führungskräfte wünschen sich laut dieser Umfrage, dass die KMU mehr Lobbying betreiben sollen. Dramatisch ist die Entwicklung im 3-Jahresvergleich: Waren es 2008 noch 56% der Österreicher, die glauben, dass für die KMU zu wenig Lobbying betrieben wird, so waren es 2010 schon 64%. Bei den KMU-Führungskräften waren es 2010 bei diesem Punkt sogar 92%.

Der österreichische Gewerbeverein (ögv) titelt auf seiner Website: „Klein- und Mittelbetriebe werden immer ohnmächtiger und verärgerter“. Der Verein, der gemäss seiner byline „Interessensvertretung für Industrie, Gewerbe, Handel und freie Berufe“ betreibt und das „unabhängig seit 1839“ sieht Handlungsbedarf: Gemeinsam mit verschiedenen KMU-Partnerorganisationen will er nun mit speziellen Lobbying-Workshops, Coachings und Projekten „dem Wirtschafts-Mittelstand sowie deren Kommunal/Regionalpartnern zu vermehrtem individuellen Erfolg“ verhelfen. So will der KMU-Verband „den Lobbyisten das Lobbying wegnehmen“, ohne genauer zu präzisieren, was damit gemeint ist.

Wie sieht das in der Schweiz aus? Mit den österreichischen Umfrageergebnissen konfrontiert, äussert sich Hans-Ulrich Bigler, der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes (sgv) mit einem positiven Fazit für die schweizerischen KMU: Der sgv überprüfe laufend die Zielerreichung ihrer Lobbying-Bemühungen anhand von qualitativen Auswertungen von Vorlagen sowie mittels eines verbandseigenen „KMU-Rankings“. Gemessen werden dabei die gewichteten Positionen aller während der laufenden Legislatur für den sgv wichtigen 400 Vorlagen und inwiefern die Parlamentarier diese Position in der Abstimmung übernommen haben. Dabei zeigt sich laut Bigler, dass FDP und SVP die sgv-Positionen in über 75% aller Vorlagen übernommen haben. Die EDU mit 73% und die BDP mit über 63% bzw. die CVP mit knapp 60%. sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler zeigt sich zufrieden: „Diese Werte zeigen die Effektivität des sgv-Lobbyings“.

Anscheinend kann das KMU-Lobbying in der Schweiz – zumindest was den institutionellen Teil über den Verband betrifft – eine grössere Wirkung im Ziel zu entfalten, als bei unseren Nachbarn.

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Das Wahljahr 2011 hat eine weitere Volksinitiative: Die “Transparenzinitiative” fordert die Offenlegung sämtlicher Parlamentariereinkünfte. Sämtliche Einkünfte, Nebeneinkünfte und Spenden sollen durch die Parlamentarier offen gelegt und durch die Parlamentsdienste kontrolliert werden. Zudem soll jeder Parlamentarier in den Rats- und Kommissionsberatungen seine allfälligen Interessenbindungen zum besprochenen Geschäft offenlegen. Lanciert wurde die Initiative gemäss Sonntagsblick durch Ostschweizer Exponenten der Jungen SVP, allen voran Nationalrat Lukas Reimann (SVP/SG). Auf der offiziellen Website der Initiative gibt sich das Komitee hingegen bedeckt und kommuniziert lediglich eine Postfachadresse in Wil sowie den Namen des Vizepräsidenten des Komitees.

Nationalrat Lukas Reimann lässt sich in der Sonntagszeitung zitieren, die Initiative verbiete niemandem das Lobbying. “Das Volk hat aber ein Recht zu wissen, welche Beschlüsse aufgrund von welchen Beratungen und Bezahlungen zustande kommen”. Die schweizerischen National- und Ständeräte sind heute verpflichtet, im “Register der Interessenbindungen” ihre Tätigkeiten in Führungs- und Aufsichtsgremien sowie Beiräten und ähnlichen Gremien von schweizerischen und ausländischen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des privaten und des öffentlichen Rechts anzugeben. Zudem müssen sie Beratungs- oder Expertentätigkeiten für Bundesstellen, dauernden Leitungs- oder Beratungstätigkeiten für schweizerische und ausländische Interessengruppen sowie ihre Mitwirkung in Kommissionen und anderen Organen des Bundes angeben. Nicht erfasst werden mit dieser Regelung Mandate als Berater oder Rechtsanwalt. Ebenfalls nicht erfasst wird die Höhe der Saläre resp. Vergütungen.

Die politisch interessierte Öffentlichkeit in der Schweiz scheint zunehmend für Fragen der Transparenz in unserem politischen System sensibilisiert zu sein. Es wird interessant werden, diese politische Debatte weiterzuverfolgen. Die Transparenzinitiative rüttelt an bisher unangetasteten Freiheiten unserer Milizparlamentariern, blendet aber gleichzeitig das Thema der Parteienfinanzierung aus, für die es in der Schweiz keine Regelung gibt.

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