Archiv für November, 2009
Andreas Kovar, der Public Affairs-Vordenker aus Oesterreich, hat eine weitere Auflage seiner jährlichen politischen Arena-Analyse unter dem Titel “Was uns morgen blüht” publiziert. In einer nüchternen Analyse der künftigen politischen “hot issues” wird zwar schwergewichtig auf Deutschland und Oesterreich eingegangen, die Schweiz darf der geneigte Leser aber getrost mitdenken.
Das Instrument der Arena-Analyse dient zur Identifikation und Beobachtung von “emerging issues”. Nicht jedes der von Andreas Kovar und seinem Team identifizierten Issues wird künftig tatsächlich auf der öffentlichen Agenda an die Oberfläche steigen und die Beurteilung ist natürlich persönlich gefärbt. Hingegen lohnt sich die – mittels Inhaltsverzeichnis gezielte – Lektüre der meisten Issue-Kapitel. Das Buch behandelt unter anderem die soziale Kohäsion (“Kluft zwischen Villen- und Arbeitervierteln”), die Good Governance (“Besser regieren, aber wie?”) oder das Arbeiten im globalen Dorf (“wenn in China ein Fahrrad umfällt”). Mit keinem der abgehandelten Issues kann Kovar den politisch interessierten Leser wirklich überraschen. Der Wert des roten Büchleins liegt hingegen in der sorgfältigen Abhandlung der Themen und der lesenswerten Schlussfolgerungen.
Der Begriff Lobbying stammt aus dem englischsprachigen Raum. Die Lobby umschreibt die Wandelhalle im englischen und amerikanischen Parlament und dient der Begegnung zwischen Abgeordneten und Interessenvertretern. Agenturen und Lobbyisten sprechen in ihrer Arbeit meist von „Public Affairs“ im Sinne eines Oberbegriffs ihrer Tätigkeitsgebiete.
Public Affairs ist die „Aussenpolitik“ einer Unternehmung, einer Organisation und ist weit mehr als gepflegtes Networken bei schönen Apéros. Public Affairs ist eine eigene Management-Disziplin und umfasst vereinfacht gesagt die folgenden drei Bereiche:
a) Issue Management: Themen setzen und im Auge behalten
- Umfeld-Analyse (Arena Analysis): Bestimmen des Handlungsspielraums
- Risiko-Analyse (Identifikation der Gefahren)
- Stakeholder-Analyse (Inventur der Anspruchsgruppen)
- Issues-Analyse (Positionen), Zeitverlauf, Arena-Grenzen
- Issue- und Stakeholder Management: Risiken minimieren, Optionen nützen. Steuerung, Mobilisierung und Ausbalancierung divergierenden Erwartungen
b) Lobbying: Das Beeinflussen im parlamentarischen Umfeld
Lobbying heisst relevante Entscheidungen zu beeinflussen resp. die Unternehmens-, Verbandsinteressen bei allen wichtigen Entscheidungen durchzusetzen. Lobbyisten unterscheiden:
- Direktes Lobbying: Direkte persönliche Kommunikation mit dem zuständigen Entscheidungsträger (und / oder Mitarbeiter): Persönliche Briefings, parlamentarische Instrumente (Anträge, etc.), Formulierung von Gesetzesmaterien, Schaffung von Entscheidungsgrundlagen (Positionspapiere, etc.), Kanalisierung von Fakten (Studien, Gutachten, etc.)
- Indirektes Lobbying: Indirektes Vorgehen über Dritte, um Entscheidung zu beeinflussen
- :Cross Lobbying: Mobilisierung von Verbänden, Kammern oder Parteien und Nutzung von Built-In-Lobbyisten
- Interessenskoalitionen:„Objektivierung“ durch Verbreiterung, mehr Aufmerksamkeit, höhere politische Affinität
- Multiplikatoren-Management (Grass Roots, Grass Tops): Mobilisierung von „Massen“ oder Meinungsführern zu bestimmten Handlungen
c) Government Relations: Kontakte und Informationsaustausch mit Regierung un Verwaltung
Die Pflege tragfähiger Arbeitsbeziehungen zu Regierung und Verwaltung sind bei seriösen und langfristigen public Affairs-Massnahmen zentral, wobei der Kontakt zur Verwaltung an Wichtigkeit enorm zugenommen hat.
Gastbeitrag von Nationalrätin Edith Graf-Litscher (SP/TG)
Die Interessenvertretung ist ein legitimes Element in einem demokratischen Land. Die heutige Regelung für den Zugang von Lobbyisten zum Bundeshaus ist jedoch unbefriedigend und nicht transparent. Mit meiner Parlamentarischen Initiative 09.486 – “Lobbying und Transparenz im Bundeshaus”- möchte ich für klare Verhältnisse sorgen.
Die parlamentarische Initiative verlangt:
Es sind die gesetzlichen Bestimmungen zu schaffen, wie der Zugang von Lobbyisten zum Parlamentsgebäude und die Akkreditierung von Lobbyisten neu zu regeln sind, damit folgende Bedingungen erfüllt sind:
- Es ist eine eigene Akkreditierung für Lobbyisten zu schaffen (analog Bundeshausjournalisten), gekoppelt an ein öffentliches Register (z.B. auf der Parlamentswebsite, mit Foto);
- Es sind Kritierien zu definieren, nach welchen die Lobbyisten akkreditiert werden können. Sie sind gesetzlich zu verpflichten, ihre Mandate offenzulegen respektive ihre Arbeitgeber (Verband, NPO, Firma) anzugeben;
- Mit der Definition, wer als Lobbyist oder Lobbyistin zu akkreditieren ist, muss gleichzeitig eine verbindliche Regelung geprüft werden, wie mit Rechtsanwälten zu verfahren ist, die Mandate betreuen und sich auf ihr Anwaltsgeheimnis berufen.