Archiv für September, 2009
Breaking News aus der Wandelhalle: Zum Ende der Herbstsession wurden am Donnerstag im Nationalrat zwei Vorstösse eingereicht, welche ein transparentes und verbindliches Lobbyregister fordern: Nationalrätin Edith Graf-Litscher (SP) fordert zusammen mit 45 Mitunterzeichnern (!) in einer parlamentarischen Initiative gesetzliche Bestimmungen, welche den Zugang von Lobbyisten zum Parlamentsgebäude regeln. Die gleiche Stossrichtung hat eine Motion von Nationalrat Lukas Reimann (SVP). Die grosse Zahl der Mitunterzeichner sowie die gewählten Formen der Vorstösse lassen darauf schliessen, dass es den beiden Parlamentariern von links und rechts sehr ernst mit diesem Anliegen ist.
Beide Parlamentarier fordern die Büros der eidgenössischen Räte auf, eine Akkreditierung für Lobbyisten (analog Bundeshausjournalisten) und ein öffentliches Register zu schaffen. Zudem seien Kriterien zu definieren, nach welchen die Lobbyisten akkreditiert werden können. Die Lobbyisten sollen unter anderem verpflichtet werden, ihre Mandate oder ihre Arbeitgeber (Verband, Firma) offenzulegen.
“Noon at Ristorante Tosca. Time to feed the lobbyists. They’re all at their regular tables in this F Street hangout, communing over lobster risotto.” So beginnt ein Artikel über Lobbyisten, der heute in der Washington Post erschienen ist. Natürlich bedient er sämtliche Vorurteile der beleibten und in gutes Tuch gehüllten Washingtoner Strippenzieher und spart nicht mit “name dropping” – man will ja schliesslich unterhalten sein. Der Artikel über das Washingtoner Restaurant “Tosca” wird sogar mit einer Karte der besten Tische versehen: “Dining at the Seats of Power”!
Nun ja, Lobbyisten gehen essen. Bisweilen gehen sie auch anständig essen, ab und zu sogar mit Kunden, eher selten hingegen mit Parlamentariern. Das unterscheidet sie kaum von Vertretern anderer Berufsgattungen. Was sie gemeinsam haben mit anderen Berufsgattungen ist: Die Arbeit kommt danach (und zuvor): Lobbying ist handwerkliche und meistens unspektakuläre Arbeit. Themenfelder müssen in den Medien und in der Politik überwacht werden (Issue Monitoring), aus Unmengen von Unterlagen müssen kurze und übersichtliche Facsheets zusammengefasst werden und in unzähligen Telefongesprächen mit der Verwaltung müssen die aktuellen Stati von Gesetzgebungsprozessen, Ämterkonsultationen und Vernehmlassungen erfragt werden.
Netzwerken, Kontakte pflegen und Ideen austauschen sind sehr wichtig. Dies findet bisweilen auch in angenehmer Atmosphäre statt. Ansonsten ist Lobbyist ein ziemlich normaler Job.
Alles sprechen von den Bundesratswahlen. Auch wandelhalle.ch kann sich dem nicht ganz entziehen: Aus Sicht der politischen Kommunikation ist der steigende Einfluss der Medien auf die Wahl der Bundesratssitze sowie die erkennbaren Wahlkampf- und Kampagnenelemente eine interessante Entwicklung; Bundesratswahlen sind von internen Ritualen, welche sich der Zauberformel untergeordnet haben und lange Zeit eher den Charakter von Berufungen hatten, zu Personenwahlen mit intensiven Wahlkampfphasen geworden.
Die Medien begleiten diese Wahlen mit immer offensiverem horse race journalism („Der Wahlkrimi“). Da liegt die Vermutung nahe, dass für Bundesratswahlen ähnliche Wahlkampfregeln wie für Exekutivwahlen auf Gemeinde- oder Kantonsebene gelten, obwohl das Elektorat nicht aus den Stimmberechtigten der Gemeinde oder des Kantons, sondern aus den 246 Mitgliedern der eidgenössischen Räte besteht.
Lesen Sie den ganzen Artikel auf NZZonline
Bricht Wandelhalle.ch mit der Forderung nach mehr Transparenz im Lobbying mit der traditionellen Diskretion dieses Berufsstandes? Auf die entsprechende Frage von Simone Wagner von PolitReport kann ich nur erwidern: Diskretion ist im Kommunikationsberuf generell eine Tugend – in PR, Public Affairs und Lobbying gleichermassen. Auftragsbedingte Diskretion ist jedoch nicht zu verwechseln mit verdächtiger Heimlichtuerei. Professionelle Verschwiegenheit geht in meinen Augen sehr gut einher mit gelebter Transparenz und offener Diskussion wichtiger Themen im beruflichen Umfeld. Transparenz prägt auch ein differenzierteres Bild von politischer Kommunikation und Lobbying in diesem Lande. Und dies nützt unserer Meinung nach dem Image unseres Berufs, speziell der Lobbyisten, genauso wie dem allgemeinen Verständnis für die demokratischen Prozesse in diesem Lande.
– Das vollständige Interview zum Launch von Wandelhalle.ch auf NZZ Online…
Gastbeitrag von Peter Metzinger (Co-Gründer & Verwaltungsratspräsident The Reputation Rescue Company AG)
Dieser oft fälschlich Wilhelm Busch oder auch Bert Brecht zugeschriebene Satz klingt sicher merkwürdig aus der Feder eines Co-Gründers einer Agentur mit dem Namen The Reputation Rescue Company. Dennoch lohnt es sich, die Frage zu beleuchten, ob es nicht auch Situationen gibt, in denen dieser Satz den besseren Weg, aus einer Auswahl weniger guter Wege, weisen kann.
Vor wenigen Wochen wurde im Schweizer Fernsehen behauptet, ein bekannter Interessensverband sei speziell mit einer der Bundesratsparteien verbändelt. Die Sendung vermittelte den Eindruck, die Vertreter dieser Parteien würden durch den Verband regelrecht gesteuert. Einzelne Politiker wurden interviewt. Dabei wurde teilweise gänzlich abgestritten, dass es überhaupt Kontakt mit Verbandsvertretern gab, oder dass deren Unterlagen gelesen wurden. Diese Aussage wirkte im Kontext des Berichts derart unglaubwürdig, dass es sich um Notlügen eines Parlamentsmitglieds zu handeln schien, das sich bedrängt fühlte und keine bessere Antwort wusste. Ob dem so war oder nicht sei dahingestellt.
Manchmal ist es besser, ein Vergehen zuzugeben, das man gar nicht begangen hat, als es abzustreiten.
Die EU-Kommission will das seit einem Jahr als “Versuch” bestehende EU-Lobbyregister ausbauen und weiter verschärfen, wie EU-Kommissar Sim Kallas in einem Interview mit der Zeitschrift “European Voice” sagt. Das bestehende Register lasse zu viel Interpretationsspielraum zu. So können Lobby-Agenturen zum Beispiel die Höhe ihrer Mandate in Euro oder in Prozent ihres Umsatzes beziffern.
Das Lobbyregister der EU-Kommission wurde im Rahmen der “European Transparency Initiative” von Sim Kallas ins Leben gerufen, ist jedoch nicht abgestimmt auf ein parallel existierendes Register des EU-Parlamentes, welches nicht öffentlich zugänglich ist. Ende April haben sich EU-Kommission und Parlament jedoch auf die Grundzüge eines gemeinsamen Registers geeinigt. Ob das Dossier in der laufenden Präsidentschaft Schwedens Priorität haben wird, ist jedoch mehr als ungewiss.
Im Vorfeld der nahenden Herbst-Session hört man, dass sowohl von links als auch von rechts parlamentarische Vorstösse zum Themenkomplex Lobbyisten/Transparenz/Zugang zur Wandelhalle/Lobbyregister vorbereitet werden. Kommt das Thema jetzt auf die politische Agenda, nachdem das Parlament 2001/2002 wenig Interesse daran gezeigt hat?
Die folgenden Punkte wären zu diskutieren, in Frage zu stellen und allenfalls zu regeln:
- eine eigene Akkreditierung für Lobbyisten (analog Bundeshausjournalisten), gekoppelt an ein öffentlich einsehbares Register (z.B. auf der Parlamentswebsite, mit Foto)
- Offenlegung der Mandate der akkreditierten Lobbyisten (analog EU und USA)
- Definition, wer Lobbyist ist und wie mit Rechtsanwälten zu verfahren ist, die Mandate betreuen und sich auf ihr Anwaltsgeheimnis berufen (wollen)
- Regelung, wie mit den Besucherausweisen der Parlamentarier weiter zu verfahren ist (ersatzlose Streichung zugunsten neuem Register oder paralleles Weiterbestehen)
- Kodex der Lobbyisten (analog EU-Kodex)
- Angst vor einer “Überschwemmung der Wandelhalle” nehmen
Die Diskussion ist lanciert, oder?
Der Blog Wandelhalle.ch versteht sich als Diskussionsplattform für Themen aus dem Umfeld der politischen Kommunikation. Er richtet sich nicht nur an aktive Kommunikationsfachleute, sondern auch an alle interessierten Kreise aus Politik, Wirtschaft, öffentliche Verwaltung und Gesellschaft.
Offiziell heute am 1. September 2009 lanciert, nimmt er sich auch schwerpunktmässig der Transparenz-Diskussion um das Lobbying in der Schweiz an. Die redaktionelle Verantwortung übernehmen die beiden Initianten Andreas Hugi (Furrer.Hugi&Partner) und Markus Kaufmann (complizen). Es ist unser erklärtes Ziel, aktuelle und relevante Themen möglichst kontrovers diskutieren zu können.
Hierfür werden auch Beiträge von Gastautoren auf diesem Blog publiziert. Die Diskussion soll transparent und öffentlich geführt werden. Transparenz ist denn auch unser Credo für unsere Arbeit in der politischen Kommunikation.